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Die Patchwork-Luege

Titel: Die Patchwork-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Muehl
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Alle unsere Maschinen sind auf Geschwindigkeit hin konstruiert; (…) je schneller, umso besser.«
    Liebe ist eine Form der Verausgabung, sie ist ein Wagnis. Sie ist auch eine Wette auf die Zukunft. Sie soll nicht nur den nächsten Tag überstehen, sie soll möglichst lange halten, zwanzig, dreißig, vierzig Jahre. »Jemanden zu lieben ist nicht nur ein starkes Gefühl, es ist eine Entscheidung, ein Urteil, ein Versprechen.« Bei dem Wort »goldene Hochzeit« denken wir eher an einen Scherz als an Zweisamkeit. Wir haben uns abgewöhnt, solche Zeiträume für möglich zu halten, denn jede Entscheidung, die wir treffen, ist revidierbar. Bis auf eine: die für Kinder.
    Kinder sind Optionenvernichter. Sie rauben einem die Nächte und stellen den Tagesrhythmus auf den Kopf. Sie werden mittags müde, abends quengelig und haben ständig Hunger. Man muss ihnen vorlesen und vorsingen. Sie heulen, sobald man eine DVD sehen möchte, und bringen aus der Kita Krankheiten mit, unter denen man bald selbstleidet. Nachts spucken sie in unsere Betten. Sie sind aufs Leben gerechnet in etwa so teuer wie ein Einfamilienhaus, worunter eine Freundin dermaßen litt, dass sie einige Monate zum Psychiater gehen musste, weil sie die monatlichen Kosten für Kita und Reitunterricht zur Raserei trieben. Kinder machen jeden Gedanken an Spontaneität zunichte. Das Ausschlafen ist vorbei, keine kurzfristigen Termine mehr bei der Kosmetikerin, keine Partys bis vier Uhr früh. Mobilität heißt auf einmal nicht mehr nach Prag zu fliegen, sondern den Kinderwagen zum nächsten Spielplatz zu schieben. Kinder sabbern auf Sakkos.
    Damit wir trotz Familie den Schmerz des Verzichts nicht spüren müssen und uns leichter einreden können, weiterhin ein lockeres Leben voller Freiheiten zu führen, hat der Verlag Gruner & Jahr 2009 das Lifestyle-Magazin Nido auf den Markt gebracht. Auf mehr als 150 Seiten poliert es den Familienalltag auf Hochglanz: »Guter Sex trotz kleiner Kinder«, »Kinderfreies Wochenende« oder »Vier um die Welt. Mit Kindern nur noch Cluburlaub? Warum eigentlich? Gerade mit kleinen Kindern kann man sehr gut groß verreisen.« Irritiert überlegt man, ob man die Kinder dafür zur Kleidung in den Rucksack packen muss; und wer lässiger ist, die Kinder oder deren Eltern? Im Eröffnungseditorial schrieb die Redaktion: »Wir als junge Eltern wissen: Das ganze Leben ändert sich von Grund auf, wenn Nachwuchs im Haus ist. Aber das muss ja nicht bedeuten, dass wir unseren ursprünglichen Humor, unser Interesse an Mode, Popkultur und Gesellschaftspolitik, Karriere und geschmackvollem Wohnen gänzlich aufgeben.«Nein, muss es nicht. Es muss auch nicht die Akzeptanz des Elternseins bedeuten. Nido ist eine als Familienmagazin getarnte Anleitung dafür, wie sich Eltern, die früher Neon lasen, in urbaner Umgebung stilsicher kleiden und verhalten, damit möglichst wenig auffällt, dass sie Kinder haben. Ein Blogger fand für die Nido -Zielgruppe den treffenden Ausdruck: »Angst-Eltern«. Nido erscheint monatlich in einer Auflage von etwa 130 000 Exemplaren, was einiges sagt.
    Eine der größten Lügen ist in diesem Zusammenhang die Rede von der Vereinbarkeit. Tatsächlich addieren wir laufend Dinge und setzen Prioritäten. Dass Coolness und Windelwechseln zwei verschiedene Angelegenheiten und schlicht unvereinbar sind, erschüttert manche in einem Ausmaß, dass sie Artikel unter der Überschrift veröffentlichen: »Unglück im Glück«. »Früher war man jung und schön, cool und lässig, spontan und unabhängig«, schreibt Jana Hensel, die Mitte dreißig und Autorin des erfolgreichen Buchs Zonenkinder ist, in der Zeit . »Mit großer Mühe schuf man sich ein Leben, in dem man sich treibenlassen und unterwegs sein konnte, in dem man sich nicht festlegen musste. Und lange dachte man, das würde auch mit Kindern weiter so gehen.« Man liest ihre Sätze ein zweites Mal und glaubt es nicht; ob sie das tatsächlich genauso meint? Hat sie wirklich gedacht, dass Kinder irgendetwas anderes sein könnten als eine Festlegung? Man selbst ist ja einmal Kind gewesen, und wenn man sich daran erinnert, fällt einem ein, dass die eigenen Eltern nicht jeden neu angelaufenen Kinofilm sofort sahen oder kurz entschlossenim Schlafwagen verreisten. Man ahnte, dass man ihr Leben verändert hatte, ohne zu wissen, wie grundlegend.
    Wir sind durchaus bereit, Kinder in unseren Alltag zu integrieren, die Bedingung dafür lautet, dass sie unsere Lebensqualität steigern und

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