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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gertrud Höhler
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sie doch heute gar nicht wissen – so wenig wie die Diskussionstemperatur, die Ereignislage und die Drift ihrer Ziele.
    Die FDP wird diesen Relativismus nie verstehen. Also muss sie mit immer neuen Volten und Wendungen der Chefin leben.
    Wie inszeniert man eine anhaltende Regierungskrise bei boomender Konjunktur und florierenden Arbeitsmärkten? Vor allem: Wie können zwei als wirtschaftsfreundlich geltende Parteien einen solchen Kontrast inszenieren? Wer ist schuld?
    Wer nimmt das Risiko einer solchen Verschwendung von Gestaltungschancen billigend in Kauf? Ist es die Kanzlerin, der das Scheitern der FDP so wichtig ist, dass sie alle Schleifspuren in Kauf nimmt? Ist es die Fassungslosigkeit der FDP angesichts einer Aussteigerin auf dem Kanzlersitz, die nicht westliche Politikgeschichte fortsetzen, sondern einen Systemwandel in Richtung zentralistischer Allparteien-Staat ins Werk setzen will?
    Schon 2011 hat die Meisterin der Volten den neuen Themenpark komplett gestaltet. Dazu gehört auch die Lähmung der Opposition nach der Enteignung ihrer Kernthemen.
    Das Klima für die Umgestaltung des Politikszenarios Deutschland scheint ideal: Alle Welt starrt auf die Euro-Bühnen, wo die deutsche Kanzlerin Entschleunigung und Antitransparenz pflegt. Im Schatten dieser never ending Euro-Story baut die Aussteigerin die deutsche Innenpolitik um: Oppositionskonform auf den ersten Blick, macht sie fette Beute bei den politischen Wettbewerbern. Seit Herbst 2011 klebt das CDULogo auf SPD-Heiligtümern wie dem Mindestlohn. Das Überholmanöver Atomwende, das Grüne und SPD ins Schleudern brachte, ist längst vom ethischen Salto mortale zum planwirtschaftlichen Pionierprojekt geworden.
    Dass die Realisierung dieses Husarenstücks schlecht läuft, gehört ins staatswirtschaftliche Kalkül. Alleinstellung ist wichtig, selbst beim Scheitern.
    Im Aufmerksamkeitsschatten des Euro- Fights sind auch andere Angebote oppositioneller Politik in CDU-Besitz übergegangen. Die Wehrpflicht wurde im Soap-Stil des hochstapelnden Verteidigungsministers Guttenberg abgewickelt; höchst nachbesserungsbedürftig, wie der Nachfolger klarstellte.
    Das deutsche Schulsystem schrumpfte auf SPD-Format; soziale Gleichschaltung unter dem Motto «soziale Gerechtigkeit» trägt nun ebenfalls das CDU-Siegel. Im Oktober 2011 wird das Paket aus Beutestücken komplett: Der Mindestlohn wandert ins CDU-Lager.
    Die Startphase für diese Übernahme einer SPD-Ikone lag in der Großen Koalition. Die Wilderer sind los, so spürt die SPD schon länger. Das Fatale: Sie kann den Themen-Raub nicht anklagen, ohne ihre eigenen Kernbotschaften zu beschädigen.
    Dass die CDU den Transfer von Überzeugungen, die sie nicht teilt, ins eigene Lager kampflos hinnimmt, spricht für die Machtvollkommenheit der CDU-Chefin.
    Dass die FDP zu dem neuerlichen Bruch des Koalitionsvertrags schweigt, spricht für ihre Mutlosigkeit. Der schwarz-gelbe Vertrag schließt eine allgemeine Lohnuntergrenze ausdrücklich aus. Zwei Jahre ist das her – und schon im Herbst 2011 steht der neusozialistische Themenpark der Regierungschefin fertig da: ein Lustgarten für die Staatsfrau,mit den Heldenstatuen der Raubzüge in sozialistischen Traumlandschaften bestückt. Beim regelmäßigen Allparteien-Cocktail huschen auch linke Masken mit vielversprechendem Lächeln vorbei: Man wird Gemeinsamkeiten entdecken.
    Nur liberale Querköpfe haben hier nichts zu suchen. Freiheit ist Risiko. Das wird gerade weggeplant.
    Dass der Kanzlerin genau zu diesem eben abgeschafften Thema Anfang 2012 ein Joker ins Präsidentenamt geweht würde, als Racheakt der Liberalen, konnte die siegesgewisse Regentin im Herbst 2011 noch nicht wissen.
    Merkels Volten sind nicht ohne Risiko.«Mit jeder Kehrtwende steigt zudem die Gefahr für die Kanzlerin, als Machttaktikerin wahrgenommen zu werden – auch in den eigenen Reihen. (…) Wirtschaftspolitiker der Union dürften sich jedenfalls nun noch heimatloser fühlen. (…) Doch im Kalkül der Kanzlerin scheint das keine Rolle zu spielen», 144 so der Eindruck eines Spiegel -Journalisten im Oktober 2011.
    Der Chef der Linken reagiert mit zentralistischem Klartext: Die Kanzlerin solle noch im Jahr 2011 Parteien und Sozialpartner einladen, um einen Allparteien-Konsens zu schaffen wie beim Atomausstieg. Die Linke entdeckt ihre eigenen Ziele im planwirtschaftlichen Trend der Kanzlerin.
    Die FDP ist nun, Ende 2011, nahezu mattgesetzt. Merkels Gesetz, die Philosophie der Gegner aufzusaugen, trifft

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