Die Patin
längst auch die FDP. Formell und aus Kalkül zum Partner geworden, ist sie in Merkels Umbauprojekt längst ein Gegner. Während die Kanzlerin SPD-Gelände okkupiert, verlässt sie Zug um Zug den Vertragskonsens mit den Liberalen. Die FDP lebt im Entzug und wagt nicht, sich zu wehren.
Das Jahr 2012 beginnt mit dem Alleingang der Kanzlerin für eine Transaktionssteuer der siebzehn willigen EU-Staaten.
Der Januar 2012 ist mit der Empörung der FDP angebrochen, da folgt der nächste Coup. Am Tage des Dreikönigstreffens der FDP sprengt die CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer die schwarzgelb-grüne Regierung im Saarland. Die Kanzlerin gibt sich ahnungslos.Es wird deutlicher: Die FDP wird als politischer Gegner behandelt; sie ist Zermürbungsobjekt. Nicht einmal mehr Fairness wird ihr zuteil.
Merkel will sichergehen, dass die Außenwirkung eintritt: Wer intern schlecht behandelt wird, der verliert auch extern an Achtung. Die FDP soll Wähler verlieren, darum geht es. Ihre Sympathisantenkultur soll zerschlagen werden. Sie soll aus den Landesparlamenten verschwinden und aus dem Bundestag. Eine liberale politische Kraft, so Merkels Ziel, soll es im zentralistisch geführten Deutschland nicht mehr geben.
«Freut sich die Kanzlerin über den Absturz der FDP?» titelt Bild auf der Politikseite 2 am Tag nach der Saarlandwahl. Und der Bild -Autor erfährt von Insidern, die Kanzlerin verfolge «ein radikales Ziel. Sie will die FDP unbedingt unter 5 Prozent halten.» Nur dann könne Merkel sicher sein, Kanzlerin zu bleiben – in einer Großen Koalition. «… mit aller Kraft», so Bild weiter, verfolge die Chefin dieses Ziel. «Deshalb, so heißt es, habe sich Angela Merkel bis zum letzten Moment gegen die Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten gesträubt.» Merkel sei der Meinung, mit Gauck wäre eine Auflösung des Bundestags «nur schwer durchsetzbar», falls die Kanzlerin das Bündnis vor 2013 platzen lassen sollte. 145
Merkel sichert das Vernichtungsprogramm gegen die FDP im Frühjahr 2012 noch gründlicher ab: Fertig verhandelte Gesetze und Reformen werden plötzlich gestoppt. Dazu gehört die Blue Card , die Fachleute außerhalb der EU für Deutschland interessieren soll. Auch Gesetze zum elterlichen Sorgerecht, zur Kronzeugenregelung und zur Stärkung der Pressefreiheit, die eine deutliche FDP-Handschrift trugen, wurden durch die CDU in die Blockade geschickt. Nichts, was dem FDP-Profil bei den Wählern nützt, sollte jetzt nach draußen gehen.
«Union hungert Koalitionspartner aus», titelt die Financial Times Deutschland am 26. März zu dieser Chef-Initiative aus dem Kanzleramt.
«Wenn das so weitergeht, droht ein Stillstand der Rechtspflege», hört man aus der FDP-Führung.
Kein Argument, um die Kanzlerin nachdenklich zu stimmen. Sie steht über dem Recht, wenn es um ihre Karriereplanung geht, das hat sie mehrfach bewiesen.
Die Ironie der Geschichte spielt der Aussteigerin einen Streich: Im gleichen Frühjahr 2012, als die Kanzlerin alle Regeln der Vertragstreue und des Anstands fallen lässt, schickt ihr ausgerechnet ihr zum Gegner erklärter Vertragspartner FDP einen Gegenpol ins Präsidialamt, der das Gegenteil von allem verkörpert, was ihren Politikstil ausmacht.
Ausgerechnet die Fehlkalkulation mit ihrem Kandidaten Christian Wulff, den sie unter Missachtung der demokratischen Grundregeln durchgesetzt hatte, liefert ihr nun den Angstgegner an die Staatsspitze, den sie 2010 blockiert hat.
Stößt die Aussteigerin an ihre Grenzen?
126 Vgl. dazu www.spiegel.de , 11. Januar 2010.
127 www.spiegel.de , 11. Januar 2010.
128 Vgl. dazu www.spiegel.de , 11. Januar 2010.
129 www.bundesregierung.de , Rede der Kanzlerin zum Auftakt des Internationalen Jahres der Biodiversität 2010, 11. Januar 2010.
130 Vgl. dazu und zum Folgenden www.spiegel.de , 14. Januar 2010.
131 Vgl. Michael Naumann in: Cicero , 23. August 2011.
132 Siehe dazu S. 108, 117f., 123ff., 186ff.
133 Siehe dazu S. 277–280.
134 Siehe dazu S. 197–218.
135 Vgl. dazu Handelsblatt , 23.–25. März 2012.
136 «Bundesbank will weiter aufmüpfig sein«, www.finanzen100.de , 24. März 2012.
137 Vgl. dazu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung , 25. März 2012.
138 Zur Agonie der FDP siehe S. 154–164, 248f.
139 Siehe dazu ihre Rede vor dem Hamburger Überseeclub 2001, in diesem Buch S. 37f.
140 Siehe dazu S. 147ff.
141 Zum Sprachduktus der Kanzlerin siehe S. 182ff.
142 Vgl.
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