Die Patin
Liberale Partei, der stößt auf das für Merkel ernsteste Argument für dieses koalitionäre Zwischenspiel und gegen die freie liberale Kraft in Deutschland. Die Liberalen sind werteorientierte Überzeugungstäter. Das sind die Grünen auch, aber ihnen konnte die Kanzlerin ihr Kernthema Kernenergie einfach entwenden, und schon waren sie geschwächt. Kernthemen der Liberalen sind Bürgerfreiheit, Bürgerverantwortung, Rückzugsappelle an den machthungrigen Staat, Marktwirtschaft, Spielräume für Wettbewerb und Entfaltungsrechte.
Im System M haben diese liberalen Bekenntnisse keinen unbedrohten Platz. Sie sind nicht mehrheitsverdächtig. Im demokratischen Politik-Entwurf sind sie das unentbehrliche Korrektiv, das die staatliche Machtmaschine immer wieder an die Bürgerrechte erinnert.
Im Machtkonzept der Kanzlerin ist die Selbstermächtigung des Staates eher störungsfrei angelegt; lose Kontakte zu allen Parteien, weniger individuelle Handlungsspielräume, weil mehr Zentralismus Reibungsverluste vermeidet.
Die Liberalen, das verschleiert die allgemeine Debatte um ihr regierungsamtlich gefördertes «Versagen», sind in Wahrheit der gefährlichste Gegner für Angela Merkel. Keine Partei steht so entschieden für Bürgertugenden und Bürgerrechte in einer Leistungskultur, die Bürgerfreiheit auf Platz eins setzt, um all dies zu gewährleisten. Keine politische Gruppierung bedroht das Allparteien-System der Kanzlerin so entschieden wie die FDP. Die Kanzlerin hat das früher wahrgenommen als die FDP selbst.
Auch im Jahr 2012, nachdem die Entmachtung der FDP offenkundig ist, fehlt deren Wortführern der Mut, Klartext zu reden: Die Kernbotschaften der Liberalen sind der Gegenentwurf zur Allmachtsvision der Regierungschefin.
Weil das so ist, lief Merkels Modell der Themen-Enteignung, das bei allen Parteien funktioniert, bei den Liberalen leer: Für das System M sind deren Themen kontraproduktiv. Bis 2009 galt im politischen Deutschland: Niemand wird überflüssig, aber seit Angela Merkel regiert, sollten alle Parteien mit Übernahmen ihrer Alleinstellungsmerkmale durch das System M rechnen.
Seit 2009 gilt: Alle werden gebraucht, außer den Liberalen. Das ist umso bemerkenswerter, als die Freiheit ja eigentlich die Kernforderung der Menschen im Staatsgefängnis DDR war – was die Kanzlerin im Gegensatz zu Millionen Landsleuten aus der DDR bestreitet. 139 Die schwarz-gelbe Koalition liefert schon vor ihrem Ende die Übererfüllung des von der Kanzlerin gesetzten politischen Kernziels: das liberale Element in Deutschlands Kräftespektrum überflüssig zu machen. Und die gesamte Republik übernimmt dieses Ergebnis einer partnerschaftlichen Vernichtung des kleinen durch den großen Partner. Auch der ebenfalls dem Massenknast entronnene Bundespräsident Joachim Gauck soll als erste diese Lektion lernen: nicht ständig die Freiheit zu preisen.
War die schwarz-gelbe Koalition ein Irrtum? Ein Fossil? Ist die Diagnose wirklich richtig: Gelb habe versagt? Aber der starke schwarze Partner hatte schon vor 2009 schleichend seine Identität verloren. Beim schwarzen Partner, verwandelt wie er als Merkel-Partei 2009 auftrat, war liberale Politik schon gar nicht mehr durchsetzbar.
Die Wandlung der CDU lässt sich auch ablesen am verdichteten Exodus von Spitzenpolitikern, der 2010, also kurz nach der Ankunft der Partei in einer nach traditionellem Selbstverständnis «klassischen» Koalition, seinen Höhepunkt erreicht. 140 Die «Wunschkoalition»: Merkels Wunsch nach einer solchen Kombination war am Start schon Vergangenheit. Die Flüchtlinge aus der Führungsgruppe wussten das.
Der kleine liberale Partner taugt aber als Sündenbock. Als Chefin der Großen Koalition von 2005 hatte Merkel mit der SPD massive Steuererhöhungen durchgesetzt. Die Partner von gestern, so Merkels Kalkül,könnten die von morgen sein – inklusive der zuverlässigen Wählermehrheit gegen Steuersenkungen.
So konnte die Kanzlerin unbesorgt unterschreiben, was im Koalitionsvertrag 2009 mit den Liberalen als Hauptversprechen steht: Steuersenkungen. Das Kalkül geht auf: Merkel hat alle politischen Lager auf ihrer Seite, wenn sie das Thema Steuersenkungen die ganze Legislaturperiode unentschieden mitlaufen lässt: ein Joker der Liberalen, die wie Zwischenrufer behandelt werden.
Nebenbei bleibt bei der FDP dann auch ein Thema aus Merkels Testreihe hängen, das der liberale Gesundheitsminister Rösler im guten Glauben vertritt, die Linie der Chefin zu
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