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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gertrud Höhler
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dazu ,«Merkel gegen ‹schnelle› Kopfpauschale», www.rp-online.de , 6. März 2010.
    143   www.spiegel.de , 29. Oktober 2010.
    144   www.spiegel.de , 30. Oktober 2011.
    145   Vgl. www.bild.de , 27. März 2012.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

P RÄSIDENTENDÄMMERUNG –
D RAMA IN DREI A KTEN
    Erster Akt: Das Amt als Beute der Politik
    Wie die deutsche Demokratie auf den Missbrauch ihrer Spielregeln reagiert, hat sie nirgends klarer gezeigt als in jenen Jahren von 2004 bis 2012, den Jahren der ‹Präsidentendämmerung›. Zweimal, 2004 und 2010, wurden Bundespräsidenten nach dem Machtkalkül des Systems M ausgewählt und ihre Wahl durch Eingriffe in die demokratischen Strukturen der Bundesversammlung sichergestellt. Zweimal endeten die Amtszeiten von Präsidenten in dieser Phase der Regelverletzungen durch die politische Führung vorzeitig: die Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff legten das Amt aus sehr unterschiedlichen Gründen nieder, ohne das Ende der Amtszeit abzuwarten.
    Horst Köhler stand im ersten Jahr nach seiner Wiederwahl für weitere fünf Amtsjahre, als er überraschend beschloss, zurückzutreten – eine Aktion, die in den Statuten des Präsidentenamtes bis dahin nicht vorgesehen war. Christian Wulff, sein Nachfolger, war fest entschlossen, der Wucht einer öffentlichen Kampagne gegen sein Beziehungsmanagement in früheren Ämtern zu trotzen. Er konnte mit der konsequenten Unterstützung der Kanzlerin rechnen, die ihn in einem Netz aus Vertrauenserklärungen gegen die Faktenlage gefangen setzte. Wulff wird diesen zweifelhaften Beistand, der machttaktische Gründe hatte, auch als Referenz der Kanzlerin für seine jahrzehntelang gepflegte Rolle als loyalster aller Vasallen von Angela Merkel verstanden haben.
    Als sie ihn ins Präsidentenamt entsorgte, nach Köhlers Blitzabschied 2010, wird Wulff erkannt haben, dass sie ihn immerhin für gefährlich genug hielt, das Kanzleramt anzustreben – eine verschwiegene Genugtuung für den letzten unter ihren Rivalen. Wenn jemand sein Amt vorzeitig verlässt, ist der spontane Reflex bei allen Beobachtern der Blickzurück. Gab es Fehler bei der Auswahl? Gab es Absprachen und Interessen, hinter denen die Qualifikation des ausgewählten Kandidaten schließlich verschwand wie eine Quantité négligeable – eine zu vernachlässigende Größe? Gab es Kompromisse, die man angesichts der Bedeutung des Amtes nicht hätte machen dürfen? Gab es schon vor der Wahl durch die Bundesversammlung Bedenken bei den zur Wahl Berufenen in Bundestag, Bundesrat und bei den Abgesandten der Länder, die als Gefährdung der Wahl empfunden wurden? Dass es im Fall des Kandidaten Wulff so war, ist bekannt.
    Die politische Führung unter Angela Merkel sah 2010 keinen Anlass, die demokratischen Spielregeln ernster zu nehmen als das Machtinteresse der Chefin. Also wurden Wahlleute ausgetauscht, die vermuten ließen oder freimütig ankündigten, dass sie nicht den Kandidaten der Kanzlerin, sondern einen neu ins Scheinwerferlicht gerückten Konkurrenten wählen würden: Joachim Gauck. Dazu später mehr. Horst Köhler, der mit einer überraschenden Begründung kurz nach seinem Wahlerfolg für eine zweite Amtszeit schlagartig seinen Rücktritt mitteilte – die Journalisten hatten nie zuvor eine so knappe Frist von nur zwei Stunden erhalten, um ins Schloss Bellevue zu eilen –, hatte eine einsame Entscheidung getroffen, die er aber seinen täglichen Beobachtern und Begleitern anlastete, die er nun um sich versammelte, den Journalisten.
    Ein Missverständnis gab den Anlass, eine unbequeme Deutung eines Präsidentensatzes in einem Interview. In seiner Antrittsrede knapp sechs Jahre zuvor hatte Köhler immerhin den Anspruch erhoben, «unbequem» zu sein. Missverstanden zu werden, erschien ihm im Jahr 2010 dann so unbequem, dass er eine Staatsaffäre lostrat: Rücktritt mit sofortiger Wirkung. Präsidiale Begründung: Das Echo auf seine missverstandene Interview-Äußerung lasse den notwendigen Respekt vordem höchsten Staatsamt vermissen. Erst die dann folgenden Präsidentenwahlen ließen Köhlers Wahrnehmung prophetisch erscheinen: Dem höchsten Staatsamt wird der Respekt entzogen – nicht nur von den Berichterstattern der Presse, sondern vor allem von den Politikern. Angela Merkel, inzwischen Kanzlerin einer ‹kleineren› Koalition mit der FDP, sah für «Respekt vor dem Amt» so wenig Anlass wie vor den Zugangsritualen. Die

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