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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Blick zu. Er ließ sich nichts anmerken. Vielleicht hatte er es ja nicht gelesen? Aber selbst wenn, war es auch egal. Wer sagte denn, dass es nicht auch einen Oblomow gegeben hatte, der Schach spielen konnte?
    Ich entspannte mich ein bisschen. Bis jetzt schlug ich mich doch ganz gut, fand ich. Der König jedenfalls war noch in Sicherheit, und darauf kam es schließlich an.
    Aber dann zog Johannes mit seinem Läufer vor, und ich musste feststellen, dass mein umgekehrtes Bauern-V doch nicht so optimal war. Wenn ich so weitermachte, würde es bald Verluste geben.
    Zu allem Überfluss kamen Anton, Nelly und Ronnie aus der Küche, um uns zuzusehen.
    »Na, wie schlägt sich mein Brüderchen?«, wollte Anton wissen.
    »Wie ich meine Mami kenne, sitzt er sicher schon böse in der Zwickmühle«, sagte Nelly hinterhältig. Ich sah sie strafend an, aber sie zuckte nur mit den Schultern und grinste.
    »Ah, Schach!«, seufzte Ronnie und ließ sich neben mich auf das Sofa plumpsen. »Das Spiel der Könige. Mimi und ich haben das auch gerne gespielt. In glücklicheren Tagen.«
    Die Wurzelholzbrille, Mimi und Elmar kamen jetzt ebenfalls aus der Küche und stellten sich rundherum auf Waren sie denn verrückt geworden, Trudi und Peter nebenan allein zu lassen? Die beiden brachten es fertig, auf dem Esstisch tantrische Übungen zu absolvieren.
    »Jemand sollte vielleicht mal nach Trudi schauen«, sagte ich.
    »Das macht Sabines Mann schon«, sagte Mimi. »Er schaut wirklich überall nach ihr.«
    Ronnie beugte sich über das Spiel. »Ich erkenne noch nicht so ganz deine Taktik, Constanze.«
    »Doch, doch, ich erkenne sie«, sagte Nelly.
    »Das ist die Großmeister Oblomow-Variante«, erklärte Johannes.
    »Oblomow?«, wiederholte Nelly. »Ist das nicht der Typ, der ...?«
    »Genau!«, sagte ich scharf. »Der Typ, der so super Schach spielte.« Kurz entschlossen ließ ich meinen Springer in das Bauern-V hüpfen.
    »Das hatte ich mir gedacht«, sagte Johannes und zog mit seiner Dame vor, als kenne er die Oblomow-Variante wie seine Westentasche.
    Er wirkte mir zu selbstsicher. Es wurde Zeit für Plan B. Ich würde einen Asthmaanfall vortäuschen. Eine Blinddarmentzündung. Einen Herzinfarkt.
    Vorher musste ich Johannes nur noch das Gefühl vermitteln, dass er schon so gut wie verloren hatte. Ich setzte ein überhebliches Lächeln auf, während ich meinen Springer weiter vorwärts hüpfen ließ.
    »Noch zwölf Züge, und du bist matt«, sagte ich. Johannes blinzelte überrascht.
    »Boah«, sagte Nelly anerkennend. Jetzt sah ich erst, dass ich mit meinem Zug seine Dame angegriffen hatte. Ups!
    »Der Gontscharow-Angriff«, setzte ich gönnerhaft hinzu. Iwan Gontscharow war der Autor von Oblomow. Wenn Johannes Oblomow schon nicht gekannt hatte, dann wusste er erst recht nicht, wer ihn erfunden hatte. »Ein bisschen unkonventionell, aber fast nicht zu schlagen.«
    Nelly sah mich von der Seite an. Ich merkte, dass selbst sie beeindruckt war.
    »Mach den Mund zu, Schatz«, sagte ich. »Wenn du willst, kann ich es dir zu Hause gerne beibringen.«
    So, und jetzt wurde es höchste Zeit, auszusteigen. Hilfreichwäre vielleicht ein bisschen Schaum vor dem Mund. Ich überlegte, schnell aufs Klo zu gehen und dort etwas Seife zu essen.
    »Lass dir ruhig Zeit, ich muss mal zur Toilette«, sagte ich zu Johannes, der grübelnd auf seine Figuren starrte, und stand auf.
    »Ich zeig dir, wo«, erbot sich Anton.
    Alle anderen schauten wie gebannt auf das Schachspiel. Sie schienen herausfinden zu wollen, wie genau ich Johannes in zwölf Zügen matt setzen wollte.
    Im Flur nahm Anton mich unvermittelt in die Arme.
    »Ich finde, heute läuft es ganz gut, oder?«, murmelte er in meine Haare hinein. »Sogar Emily und Julius spielen ganz friedlich oben im Zimmer. Und deine Tochter hat sich richtig mit mir unterhalten. Ich meine, ohne dass ich mir die ganze Zeit vorkam wie ein Vollidiot. Okay, Trudi und dieser Typ sind ein bisschen seltsam, und Ronnie und Mimi zanken sich wie die Kesselflicker, aber ansonsten bin ich ganz zufrieden, du auch?«
    Ja, und wie zufrieden ich war! Wann hatte man sonst denn schon mal die Gelegenheit, Seife zu essen?
    Ich lehnte mich an Antons Schürze. »Das mit dem Schachspiel war sehr lieb von dir«, sagte ich. »Es ist wirklich wunderschön. Dafür würde ich sogar extra das Schachspielen lernen. Äh, wenn ich es nicht schon könnte, meine ich.«
    »Ich lieb dich«, sagte Anton in mein Haar.
    Mein Herz begann wie verrückt zu klopfen. Ich

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