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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sagte Ronnie. »Soll ich was zu trinken holen?«
    Julius bohrte sich noch fester an mich heran.
    »Das ist doch nicht schlimm, Julius.« Anton kniete neben uns nieder und fing an, den Perserteppich zu säubern. »Das kann doch jedem mal passieren.«
    »Lass das, Anton, ich mach das schon«, sagte ich. Es war ihm wirklich nicht zuzumuten, das Erbrochene meines Sohnes wegzuwischen.
    »Ich helfe dir«, sagte Nelly überraschenderweise. Sie nahm Anton die Küchenrolle aus der Hand. »Geht lieber rein«, flüsterte sie ihm zu. »Es ist ihm sonst nur noch peinlicher.«
    »Okay«, sagte Anton und erhob sich wieder. »Obwohl ich Julius gerade noch die Geschichte erzählen wollte, wie ich mich als Kind mal auf einem Kreuzfahrtschiff übergeben habe. Direkt auf das Diamantkollier einer sehr dicken, feinen Dame. Und sie hatte das Kollier natürlich gerade an.«
    Er zwinkerte mir zu. Oh, Gott, ich liebte diesen Mann! Aber Julius rührte sich trotz dieser Geschichte nicht von meinem Busen. Erst als alle aus dem Flur verschwunden waren, hob er den Kopf und sah kläglich zu mir hoch.
    »Ich bin kein Ropäer«, sagte er.
    »Doch, das bist du«, sagte Nelly. »Aber das ist noch lange kein Grund zu kotzen.«
    »Ich versteh das nicht«, sagte ich. »Warst du denn so aufgeregt? Hast du zu viel gegessen? Hat es dir nicht geschmeckt? Hattest du schon vorher Bauchschmerzen?«
    Julius schüttelte den Kopf »Mir ist von dem Bonbon schlecht geworden.«
    »Von welchem Bonbon?«
    »Emily hat mir eins gegeben«, sagte Julius. »Ein atisches Bonbon. Das muss man auf einmal runterschlucken, ohne es zu kauen. Es sah aber aus wie ein ganz normales Kinder-Schoko-Bon.«
    »Aha«, sagte Nelly und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. »Das kleine atische Biest hat das Bonbon hundertpro präpariert.«
    »Wie kommst du denn darauf?«, sagte ich. »Weil ich es so gemacht hätte, wenn ich an Emilys Stelle wäre«, gewährte mir Nelly einen kurzen Einblick in ihre schwarzeSeele. »Schmeckte das Bonbon vielleicht zufällig nach Mayonnaise, Julius?«
    »Weiß nicht«, sagte Julius. »Ich hab's doch runtergeschluckt wie ein richtiger Asi-Yeti.«
    »Ich wette, dass sie es präpariert hat«, sagte Nelly.
    »Sie ist doch erst sechs«, sagte ich. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr neigte ich dazu, Nelly Recht zu geben. Emily war ziemlich weit für ihre sechs Jahre, kein Wunder bei dieser extrem hochbegabten Mutter! Sie hatte genau gewusst, dass Julius auf Mayonnaise mit Erbrechen zu reagieren pflegte. Und dieser triumphierende Blick vorhin auf der Treppe war eindeutig gewesen.
    Bis jetzt hatte ich ja immer noch Verständnis für Emily gehabt, aber jetzt war sie eindeutig zu weit gegangen. Meine Löwenmutter-Instinkte waren geweckt worden. Sie schlossen sich soeben in meinem Inneren zu einer V-Formation zusammen.
    »Wenn du willst, knöpfe ich sie mir vor«, sagte Nelly.
    »Das mache ich selber«, sagte ich und stand auf »Versprich mir, dass du nichts mehr isst, was Emily dir anbietet, Julius, ja? Und lass dich von ihr nicht mit diesem Europäer-Asiate-Quatsch aufhetzen. Alle Menschen überall auf der Welt sind gleich gut oder gleich schlecht, egal wie sie aussehen und wo sie geboren sind.«
    »A-men«, sang Nelly.
    Mit Julius als meinem siamesischen Zwilling - sein Gesicht war fest mit meinem Bauch verwachsen - hatte jedermann Verständnis dafür, dass ich die Schachpartie abbrechen und mit den Kindern nach Hause fahren musste.
    Erleichtert räumte ich die Figuren zurück in die Schachtel.
    »Wir spielen einfach das nächste Mal weiter«, sagte Johannes. »Bis dahin werde ich über einen genialen nächsten Zug nachgedacht haben.«
    »In Ordnung«, sagte ich und sah ihn bedauernd an. Johannes war ein netter Kerl, es tat mir Leid, dass ich ihn niemals wieder sehen durfte.
    »Sind die Kotzflecken alle rausgegangen?«, erkundigte sich Emily scheinheilig. »Der Teppich ist nämlich sehr wertvoll.«
    »Aber ja, es ist alles wieder sauber geworden«, sagte ich und sah ihr direkt in die Augen. »Obwohl Mayonnaise und Schokolade ja eine sehr seltene Fleckenkombination ist, schwer zu entfernen.«
    Emily guckte so schnell weg, dass ich davon ausgehen konnte, sie erschreckt zu haben. Ich klemmte mir das Schachspiel unter den Arm und umarmte Anton so innig, wie es mir mit dem siamesischen Zwilling am Bauch eben möglich war.
    »Noch mal vielen Dank für das wunderschöne Spiel, Anton«, sagte ich und küsste ihn direkt auf den Mund.
    »Keine Ursache«, sagte

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