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Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wandte sich zum Gehen. »Ich hab mir deine Visage gemerkt.« Letzteres warf er noch über seine Schulter.
    Mein Mund war ganz trocken, aber ich konnte den aufgeblasenen Saftsack nicht einfach so davonstolzieren lassen.
    »Wir schicken dann jemanden bei Ihnen vorbei«, sagte ich hinter ihm her. »Und, äh, Tiger wird mit nur einem i geschrieben. In unserer Welt.«
    Da erst sah ich den fetten, tätowierten Hundekopf, der aus Bernhards Shorts lugte. Die tückischen Augen guckten gerade so über den Hosenbund. Sabberschnauze und Fänge mussten sich auf Bernhards Pobacken befinden. Sehr apart.
    Mir wurde schlagartig klar, dass die Tätowierung der Grund war, warum Nelly so heftig mit den Augen gerollt hatte. Sie hatte Bernhard und Bianca sofort wieder erkannt.
    »Aber sie können es doch nicht die ganze Zeit im Tepidarium miteinander getrieben haben«, sagte ich fassungslos. »Das waren doch Stunden! Da drin sind es doch mindestens sechzig Grad.«
    »Ohne Zweifel haben die beiden eine beneidenswerte Kondition«, sagte Anne.
     
    *
     
    Eigentlich hatten Paris und Lorenz geplant, diesen Sommer Freunde von Paris in Caracas zu besuchen, mit ihnen unter anderem eine Rucksacktour durch die Anden zu unternehmen, danach für eine Woche auf den Holländischen Antillen bei Paris' ehemaliger Agenturchefin Urlaub zu machen und zum Schluss für ein paar Tage nach San Francisco zu fliegen, wo Paris' Großmutter, eine ehemalige Primaballerina, sehr berühmt zu ihrer Zeit, ihren 90. Geburtstag feiern würde. Paris' Familie und ihre Freunde waren so glamourös und interessant wie Paris selber, nicht wenige davon sogar richtig prominent. Kein Wunder, dass Lorenz davon ganz entzückt war.
    »Warum wohnen deine Freunde immer an so langweiligen Orten, Mama?«, hatte Nelly mich griesgrämig gefragt. »Und warum feiern Oma und Opa ihren Geburtstag nicht auch mal in San Francisco?«
    »Frag sie doch«, hatte ich mürrisch erwidert. Ich fand es ja selber ungerecht. In Paris' Familie gab es Künstler, Reedereibesitzer, Schriftstellerinnen, Gehirnchirurgen, Pianisten, Models, Primaballerinen und Politikerinnen zuhauf der exzentrischste Beruf den jemand in meiner Familie ergriffen hatte, war Biologe (ein aus der Art geschlagener Bruder meiner Mutter, der bei der Vogelwarte arbeitete), alle anderen waren Bauern oder bei der Post. Und Onkel Erwin, das andere schwarze Schaf, arbeitete in Schleswig auf dem Finanzamt.
    Paris hätte Nelly und Julius liebend gerne mit auf die große Reise genommen (»Nichts erweitert den Horizont so sehr wie fremde Länder und Kulturen, Schätzchen«), aber sowohl Lorenz als auch ich waren dagegen gewesen (wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen).
    Aber jetzt fielen ihre ehrgeizigen Reisepläne ohnehin ins Wasser, denn Paris wollte ihren Zwillingsstecknadelköpfen keine strapaziösen Langstreckenflüge und Klimaveränderungen zumuten, wie sie mir strahlend mitteilte, als sie am Tag nach unserem Schwimmbadbesuch unangekündigt bei uns vor der Tür stand.
    Sie umarmte uns innig. »Nicht dass ich eine von diesen hysterischen Schwangeren werden will, die sich selber wie ein rohes Ei behandeln«, sagte sie. »Aber das Programm wäre auch für eine Hardcore-Schwangere ein bisschen übertrieben, oder? Oh, Schätzchen, kann ich mich hier irgendwo hinsetzen und die Beine hochlegen? Deine Freundin Anne ist nicht zufällig da? Man kann sich nämlich gar nicht früh genug um eine Hebamme bemühen, habe ich gehört, und ich habe so viele verwirrende Sachen gelesen, dass ich Anne unbedingt etwas fragen wollte. Lorenz sagt, ich solle diese Ratgeber nicht lesen, die würden mich nur verrückt machen, aber ich will ja auch nichts falsch machen, und wenn ich die Bücher nicht gelesen hätte, hätte ich niemals gewusst, dass Basilikum gar nicht gut für Schwangere ist. Muss man sich mal vorstellen. Liegt auf jedem Mozzarella rum und sieht so harmlos aus.«
    Sie holte tief Luft, um weiterzusprechen, aber Nelly packte sie am Arm und sagte schnell: »Wie schön, dass du nicht zu diesen hysterischen Schwangeren gehörst, die die ganze Zeit nur über mögliche Komplikationen schwafeln.«
    »Ja, ja«, sagte Paris. »Das wäre mir wirklich ein Graus.« Dann fing sie wieder an zu reden, einen einzigen nicht enden wollenden Satz, in dem die Worte Supermarkt, wehrlos, Windpocken, Streptokokken, anhusten, Vogelgrippe, Trisomie achtzehn, Gestose, Schafkäsemafia, Spätgebärende, Beckenboden, Dammschnitt und Periduralanästhesie vorkamen. Wir

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