Die Patin
lotsten sie, während sie sprach, wie ein rohes Ei in den Garten, setzten sie auf einen Rattanstuhl und schoben einen zweiten als Fußstütze heran. Nelly schob ihr ein Kissen in den Rücken, und Julius servierte ihr etwas von unserem selbst gemachten Rhabarber-Erdbeer-Punsch.
So gestärkt konnte Paris uns dann endlich den eigentlichen Grund ihres Kommens mitteilen: Statt Caracas, Anden, Antillen und San Francisco wollte sie mit Lorenz und den Kindern ein paar Wochen nach Menorca fliegen, wo ihre Eltern ein Ferienhaus besaßen. (Ja, ich weiß: ungerecht, ungerecht, ungerecht!)
Rein rechtlich wäre es sowieso Lorenz' Pflicht beziehungsweise sein verbrieftes Privileg, die Kinder in den Schulferien zu sich zu nehmen, und auf diese Weise könne man doch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. (Was immer hierbei das Angenehme und das Nützliche sein sollte.) »Ja!«, schrie Nelly sofort. »Ja! Ja! Ja!«
»Das Haus liegt hoch auf den Klippen. Es hat einen wunderbaren Garten und einen wirklich schönen, großen Pool«, sagte Paris. Sie klang wie ein Reiseprospekt. »Man kann sich die Zitronen direkt vom Baum pflücken.«
Ich sah Julius sofort vor meinem inneren Auge die Klippen herabstürzen und/oder im Pool ertrinken, aber Paris versicherte mir, dass die ganze Anlage absolut kindersicher sei, weil ihre ältere Schwester Venice dort auch immer mit ihren drei Kindern die Ferien verbrächte. Es sei ein echtes Kinderparadies, von der Schaukel in der alten Platane bis hin zum mit Rosmarin und Mittagsblumen verwucherten Kletterpfad hinunter zur kleinen Badebucht. Es gab sogar einen Gärtner, der vor der Ankunft der Gäste jeden Stein auf dem Grundstück einzeln umdrehte, um Skorpione zu entfernen.
»Skorpione auch noch!«, rief ich aus.
»Nelly könnte surfen lernen«, sagte Paris. »Der Große von meiner Schwester bringt es ihr sicher gerne bei. Und ich dachte, ich könnte Julius das Schwimmen beibringen. Wozu habe ich schließlich mein DLRG -Abzeichen gemacht?«
»Im Gegensatz zu anderen Leuten«, sagte Nelly leise und sah mich abwartend an. »Bitte, Mami, mach keinen Ärger.«
»Ach, was! Eure Mami ist froh, wenn sie auch mal ein bisschen Zeit für sich allein hat«, behauptete Paris. »Sie ist doch Tag und Nacht nur für euch da. Kochen, backen, waschen, Geschichten vorlesen, Hausaufgaben kontrollieren, renovieren ... Sie hat auch mal eine kleine Auszeit verdient.«
Aber ich brauchte überhaupt keine Auszeit. Ich hatte das alles voll im Griff, mehr noch: Ich tat es gerne.
Ich sah von Nelly zu Julius, der es sich auf Paris' Schoß gemütlich gemacht hatte, und musste plötzlich mit den Tränen kämpfen. Meinen Mann hatte ich ja noch mit einer gewissen Großmut an Paris abgetreten, aber bei meinen Kindern fiel es mir deutlich schwerer. Man konnte mich doch nicht zwingen, die Ferien ohne sie zu verbringen, oder? Julius war doch erst vier. Ich konnte nicht einschlafen, wenn er mir nicht vorher seine Armchen um den Hals gelegt und »Ich hab dich so lieb, Mami« gesagt hatte.
»Bitte, Mami«, sagte Nelly wieder.
»Die Kleine von meiner Schwester ist in Julius' Alter«, sagte Paris mit einer Stimme, so verführerisch wie eine Sirene (eine von Odysseus' Sirenen, nicht so ein Ding auf dem Dach einer Schule, das schrecklich heult...). »Julius hätte also auch jemanden zum Spielen. Und Nelly wird sich bestimmt glänzend mit den beiden Großen verstehen. Meine Eltern werden auch ein paar Wochen da sein, und dann wird mein Vater jeden Tag kochen. Fisch und Meeresfrüchte - er ist ein großartiger Koch. Er ist auch Hobbyastronom, wir haben ein Wahnsinnsteleskop dort, und keiner erklärt Sternbilder so gut wie mein Vater. Und meine Mutter liebt es, den Kindern Geschichten zu erzählen. Sie sitzen dann stundenlang im Schatten der Olivenbäume und hören die Abenteuer der blauen Katze.«
Paris' Mutter war eine erfolgreiche Kinderbuchautorin. Es war anzunehmen, dass sie wunderbare Geschichten erzählen konnte. Ich räusperte mich. »Für wie lange denn?«
»Drei, vier Wochen«, sagte Paris.
»Vier Wochen?«, rief ich. Ausgeschlossen, das würde ich nicht überleben.
»Freunde von meinen Eltern haben da unten eine wunderschöne Segelyacht liegen. Wir könnten einen Trip nach Mallorca rüber machen«, sagte Paris. »Manchmal sieht man dabei Delfine. Und einmal haben wir fliegende Fische gesehen.«
Die Delfine gaben mir den Rest. Ich konnte meinen Kindern doch nicht aus reinem Egoismus so wunderbare, lehrreiche
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