Die Paulis in Tatukaland (German Edition)
Zirkusshow? Haben die auch eine Seiltänzerin?«
Iris schaute ihre Kinder enttäuscht an.
»Hört mal zu«, sagte sie. »Ich verstehe ja, dass ihr ein Problem damit habt, dass ich einen Freund habe. Aber ihr müsst mir glauben, dass Arne niemals euren Vater ersetzen kann und das auch gar nicht will. Es ist nur so, dass …«
»Ich muss aufs Klo!«, rief Lea und rannte die Treppe hinauf, ohne ihre Mutter weiter anzuhören.
»Ich auch!«, rief Flummi und raste hinterher.
Iris schaute Dennis an, der ihr als Einziger weiterhin gegenüberstand.
»Und du?«, fragte sie sarkastisch. »Musst du nicht auch aufs Klo?«
»Wir haben nur eine Toilette«, antwortete Dennis trocken. »Da können wir uns ja schlecht alle drei gleichzeitig draufsetzen.«
Die Kinder gaben sich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen, aber die ersten Stunden im Vergnügungspark hatten sie einen Riesenspaß. Sie aßen Zuckerwatte, amüsierten sich auf der Wasserrutsche, fuhren mit dem Autoskooter und johlten in der Schiffsschaukel. Lea fuhr vier Mal mit der Looping-Achterbahn durch den Tunnel und kreischte dabei unglaublich laut.
»Wenn du so viel Angst hast, mit der Achterbahn zu fahren, warum steigst du dann immer wieder ein?«, fragte Dennis.
»Ich kreische nicht, weil ich Angst habe«, behauptete Lea. »Es ist ein künstlerisches Musikexperiment, wie die Geschwindigkeit der Bahn und die Wände des Tunnels die Schallwellen meiner Stimme verändern.«
Dennis lachte spöttisch. »Das ist die originellste Ausrede, die ich je gehört habe, du Schisser.«
Lea wollte weiter über Schallwellen und Tonfrequenzen schwadronieren, sah aber an Dennis’ Gesicht, dass er ihr kein Wort glauben würde. Deshalb grinste sie verlegen und sagte: »Na ja, und ein bisschen Angst hab ich auch. Aber es ist diese gute Angst, verstehst du? Die Angst, die Spaß macht.«
Das verstand Dennis. Er nickte und sagte mit einer getragenen Stimme, die jeden Professor beeindruckt hätte: »Wer Angst hat, ist nicht automatisch ein Feigling. Denn nur wer Gefahren erkennen und einschätzen kann, ist in der Lage, echte Heldentaten zu begehen, denn …«
»Ziiiiiiirkuszelt!!!!«, kreischte Flummi und unterbrach Dennis’ altkluge Abhandlungen, die er auf irgendeiner Website über die größten Helden der Weltgeschichte gelesen hatte.
Flummi raste in das große Zelt, das auf einer Wiese aufgebaut war, und schlängelte und drängelte sich durch die Menschenmassen, die zur Vorstellung hineinströmten. Ihrer Familie blieb gar nichts anderes übrig, als ihr so schnell wie möglich zu folgen.
»Eure kleine Schwester hat ja ein flottes Tempo drauf«, sagte Arne lächelnd, während er sich durch die Sitzreihen schob, doch Dennis und Lea lächelten nicht zurück.
»Wäre es dir lieber, wenn sie kriecht?«, sagte Lea zickig.
»Wenn dir die Geschwindigkeit unserer Schwester nicht passt, ist das nicht unser Problem«, meinte Dennis giftig.
»Ich hab doch gar nicht gesagt, dass es mich stört. Ich wollte doch nur …«, begann Arne sich zu rechtfertigen, aber Lea und Dennis hörten schon nicht mehr hin und drängten weiter.
Iris seufzte. Sie war schon den ganzen Tag auffallend still und sehr enttäuscht darüber, dass ihre Kinder jeden von Arnes Versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, so unhöflich abschmetterten. Etliche Male hatte er vergeblich versucht, ein Gespräch mit den Kindern anzufangen. Iris legte den Arm um die Hüfte ihres Freundes und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Mach dir nichts draus«, sagte sie. »Das wird schon noch. Es ist eben eine sture Bande.«
Lea, die sah, dass ihre Mutter diesen Kerl jetzt auch noch küsste, kniff wütend die Augen zusammen. Was bildete der sich ein? Schlich sich einfach so in ihre Familie! Dem würde sie es zeigen!
Als einige Minuten später die Zirkusvorstellung begann, war die Familie Pauli über das ganze Zelt verteilt. In dem Gedrängel hatten sich alle in verschiedene Richtungen bewegt. Lea und Dennis saßen in der achten Reihe, Iris und Arne standen deshalb im Gang. Flummi dagegen hatte sich energisch durchgewuselt und in der ersten Reihe einfach zwischen zwei Leute gequetscht. Sie war dann so zappelig hin und her gerutscht, dass es den beiden zu unruhig wurde und sie freiwillig ihre Plätze geräumt hatten.
Flummis Augen wurden groß und glänzend, als aus einem Lautsprecher eine Fanfare ertönte und die Vorstellung begann.
Zuerst trat ein Jongleur auf, den Flummi nicht besonders interessant fand, weil er
Weitere Kostenlose Bücher