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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Es war dasselbe übelkeiterregende Grauen, das sie jedes Mal erfasste, wenn sie über ihr Schicksal oder das Verhängnis nachdachte, von dem Ardina gesprochen hatte, die Furcht, die sie in ihrem Zukunftstraum heimgesucht hatte und die in ihr aufgestiegen war, als Dernhil ihr Lanorgils Pergament überreicht hatte. Fürchte ich mich vor mir selbst? fragte sie sich. Oder davor, was ich nicht bin und nicht sein kann ?
    Als sie weiter nach Süden gelangten und die Erleichterung, sich endlich frei zu bewegen, allmählich verflachte, erkannte Maerad nach und nach, dass in Edinur nicht alles in Ordnung war. Gelegentlich ritten sie durch Dörfer, die ein Gefühl wehmütiger Leere vermittelten, als lebte niemand darin, obwohl sie zunächst vermeinte, es läge nur daran, dass alle schliefen. In der zweiten Nacht kamen sie durch einen Weiler, in dem jedes zweite Haus niedergebrannt worden war. Die Ortschaft sah aus, als wäre sie Schauplatz einer Schlacht gewesen. Der Wind stieb Ascheschleier in den verkohlten Gerippen der Gebäude auf, während in der Luft immer noch der Geruch von Feuer hing, obwohl die Flammen schon längst erloschen waren. Rudel halb verhungerter Hunde streunten zwischen den Ruinen umher, stimmten Gebell und Geheul an, als sie die Pferde erblickten, und schnappten nach ihren Fesseln, bis Cadvan sie mit ein paar Worten in der Hohen Sprache bannte. So schnell sie konnten, preschten ie durch die Stätte der Verwüstung und galoppierten schließlich hinaus in die süße Nachtluft offenen Weidelandes.
    »Was ist aus diesen Menschen geworden?«, fragte Maerad. »Hat hier ein Krieg stattgefunden?« »In gewisser Weise«, antwortete Cadvan. »In gewisser Weise.« offenbar war er nicht geneigt, eine weitere Erklärung zu bieten, als wäre ihm das Herz zu schwer, um zu sprechen. Maerad, die das ich verdichtende Gefühl der Verzweiflung wahrnahm, das sich in ie Luft selbst eingenistet zu haben schien, bohrte nicht weiter nach.
    Im Dunkel der Nacht hatte Maerad die Anzeichen eines zutiefst aufgewühlten Landes gesehen. Bei Tag wären sie noch deutlicher gewesen. Cadvan verriet es ihr nicht, aber die Dorfbewohner, denen er begegnet war, hatten ihm erzählt, dass Edinurvon der Weißen Krankheit heimgesucht wurde - was mehr als seine Furcht vor einer Begegnung mit Untoten den Hauptgrund dafür darstellte, dass er nachts eisen und mit niemandem reden wollte. Die verkohlten Häuser waren jene gewesen, in die sich die Krankheit eingenistet hatte. Sie waren aus Angst niedergebrannt worden, um die Seuche auszurotten - sei es von ihren überlebenden Bewohnern, die sich davor scheuten, die Leichname darin zu berühren oder zu begraben, oder sei es sogar von den Betroffenen selbst in ihren letzten Anflügen von Wahnsinn und Verzweiflung. Die Weiße Krankheit hatte erst vor etwa zwanzig Jahren in Annar Einzug gehalten und war zuerst im Süden aufgetreten. Es schien kein Muster zu geben. Die Seuche flammte in einem Gebiet auf und löschte in einer kurzen, aber entsetzlichen Vernichtungswelle zahllose Einwohner aus, dann verschwand sie wieder jahrelang, bis sie andernorts erneut auftauchte. Allerdings mehrte sich ihr Auftreten, und Cadvan vermutete insgeheim, dass es sich um eine Krankheit handelte, die von den Untoten entfesselt wurde, um die Stärke Annars zu untergraben. Am anfälligsten waren junge und kräftige Menschen; manchmal überlebte in einer Ortschaft, in der die Seuche wütete, niemand im Alter zwischen achtzehn und dreißig. All jene, die von der Weißen Krankheit befallen wurden, starben in Fieber und Wahnsinn. Der Name rührte daher, dass die Seuche den an ihr Leidenden die Sicht mit einem Schleier trübte, der die gesamte Netzhaut silbrig überzog. Die Augen jener, in denen das Übel weit fortgeschritten war, glichen schrecklich anzusehenden, blicklosen Bällen in ausgemergelten Fratzen. Die Aussichten, die Krankheit zu überleben, waren gering, und die wenigen Ausnahmefälle blieben danach blind, es sei denn, sie hatten das Glück, von einem großen Heiler behandelt zu werden. In Edinur gab es allgemein nur sehr wenige Heiler, obwohl Norloch nur ein paar Tagesritte entfernt lag.
    Hem hüllte sich in Schweigen. Er schien damit zufrieden zu sein, mit ihnen zu reiten, wenngleich Furcht in seinen Augen aufblitzte, wann immer Cadvan Norloch erwähnte. Dies fiel sowohl Cadvan als auch Maerad auf, weshalb sie ihn stillschweigend beide aufmerksam im Auge behielten. Sie wollten nicht, dass er Reißaus nahm, während sie

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