Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
ich habe Dinge getan, die ich nicht hätte tun sollen. Ich habe dafür bezahlt, Maerad. Und ich habe dich nie verraten.«
»Warum hast du es dann vor mir verheimlicht ?« Eindringlich und feindselig starrte sie ihn an, bis er den Blick abwandte.
Eine lange, schmerzliche Stille trat ein.
»Maerad«, sagte Cadvan schließlich. »Ich hätte dir mittlerweile längst davon erzählen sollen. Es war nie meine Absicht, es dir zu verheimlichen, aber es ist eine qualvolle Erinnerung für mich und vielleicht… vielleicht möchte ich auch nicht, dass mir ständig alle misstrauen. Ich war nachlässig. Dafür entschuldige ich mich.« »Dann erzähl es mir jetzt.« Maerads Stimme klang angespannt wie eine Bogensehne. »Setz dich«, forderte er sie sanft auf.
»Nein.« Sie starrte ihn unbeirrt an und wartete darauf, dass er zu reden begann. Cadvan zuckte mit den Schultern, sah sich im Zimmer um, als müsste er sich erst sammeln, dann nahm er Platz. »Eigentlich ist es eine ganz einfache Geschichte«, begann er mit einem Hauch von Verbitterung. »Ich war ein junger Barde in Lirigon, frisch von der Schule, hochmütig angesichts meiner Macht, und trotz meiner Begabung wusste ich viele Dinge noch nicht. Ich lief einem anderen Barden über den Weg, dessen Fähigkeiten den meinen nahezu ebenbürtig waren, und wir wurden zu Gegenspielern.« Kurz setzte er ab und seufzte. »Oder, genauer gesagt, ich hatte das Gefühl, er sei mein Gegenspieler. Er dachte nicht so.« »Wie hieß er?«
»Sein Name war Dernhil von Gant.« Maerad zuckte leicht zusammen, doch Cadvan sah sie nicht an. »In meinem Stolz wollte ich keinen Nebenbuhler dulden und überlegte, wie ich ihn ausstechen könnte. Also begann ich mich mit den Dunklen Künsten zu befassen. In jugendlicher Torheit dachte ich, dass daraus kein Schaden erwachsen könnte, solange ich mich nur dafür interessierte. Warnungen, so glaubte ich, wären nur für jene mit minderen Fähigkeiten, als ich sie besaß. Insgeheim stand ich sogar in Verbindung mit einem Barden, der verbannt worden war, weil er den Dunklen Künsten frönte, obwohl ich damals noch nicht wusste, dass er ein Untoter war.«
»Likud«, sagte Maerad.
Cadvan schaute zu ihr auf. »Ja, Likud. Als Dernhil mich bei unserem Zweikampf schlug, trug meine Eitelkeit schlimme Narben davon. Ich wollte etwas tun, das ein für allemal beweisen würde, dass ich über größere Kräfte verfügte als er. Ich gelangte zu dem Schluss, dass die einzige Möglichkeit darin bestünde, eine Beschwörung zu vollbringen, die er niemals wagen würde, weil er, wie ich dachte, weniger Mut hätte als ich. Ich rief ihn zu einem Ort, den wir beide kannten, zu einem Wäldchen außerhalb von Lirigon. Dort wollte ich ihm meine Macht beweisen.« Cadvan starrte zu Boden und verstummte eine Weile.
Unterbewusst hatte Maerad sich weiter ins Zimmer begeben und kauerte nun am Rand des von Cadvan am weitesten entfernten Stuhls. »Und, was hast du gemacht?« »Ich beschwor eine Kreatur aus dem Abgrund herauf.«
»Was … was für eine Kreatur?«
»Einen Wiederkehrer.« Mittlerweile wirkte Cadvan abwesend, gefangen in einer schlimmen Erinnerung. »Wie ein Unhold, aber nicht so mächtig. Dennoch war ich nicht stark genug, ihn zu bändigen, und er brach meinen Bann.«
Abermals verstummte er. Maerad wartete, bis er fortfuhr. Als er bereit dazu war, schien das Sprechen ein einziger innerer Kampf für ihn zu sein. »Der Wiederkehrer hätte mich beinahe getötet. Dernhil verwundete er schwer. Er hat - hatte - von jener Begegnung eine Narbe von der Schulter bis zum Oberschenkel. Und die Kreatur tötete eine andere Bardin, eine junge Frau, die getreu oder töricht genug war, dabei zu sein, obwohl sie gewusst hatte, was ich tun wollte, und versucht hatte, mich davon abzubringen.« Er setzte ab. Sein Gesicht wirkte verhärmt und gepeinigt. »Und was geschah weiter?« »Ich musste den Wiederkehrer zurückschicken. Was mir letzten Endes gelang. Es dauerte lange, weil ich verwundet war und erst genesen musste, ehe ich mich auf seine Spur heften konnte. Danach wurde ich beinahe verbannt. Eine Zeit lang hatte ich Zutrittsverbot zu allen Schulen. Es waren Nelac und Dernhil, die mich vor der dauerhaften Verbannung gerettet haben. Sie haben sich hartnäckig für mich eingesetzt.« Wieder verstummte er eine Weile. »Deshalb …«
»Deshalb was?«, hakte Maerad mit inzwischen sanfterer Stimme nach. Nach kurzem Zögern setzte Cadvan sich auf und sah Maerad unmittelbar in die Augen.
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