Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Brin fragst.« »Ich schau mal, ob ich etwas auftreiben kann«, gab Saliman zurück und verließ den Raum.
»Es tut mir leid«, sagte Cadvan mit einem schiefen Lächeln zu Maerad. »Ich wusste, dass es eine Herausforderung werden würde, den Obersten Zirkel zu überzeugen, aber ich muss gestehen, mit dermaßen heftigem Widerstand hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, angesichts dessen, was wir zu sagen hatten, gäbe es zumindest Raum für Gesprächsbereitschaft.«
Maerad bedachte ihn mit einem finsteren Blick, woraufhin er betroffen wirkte. »Das ist nicht das Ende der Welt«, beschwichtigte er sie. »Wir haben noch andere Möglichkeiten. Wenn Nelac zurückkehrt, besprechen wir, was jetzt zu tun ist. Am besten wäre natürlich gewesen, dich vor den Augen der Barden von Annar einführen zu lassen. Aber diese Hoffnung können wir nun begraben.« Cadvan nahm auf einem Stuhl am Feuer Platz und legte ebenfalls das Schwert ab. »Setz dich, Maerad«, forderte er sie auf und verlieh den Worten mit einer Handbewegung Nachdruck. »Und schau nicht so finster drein; unser Versagen wirft kein schlechtes Licht auf dich.« Maerad schaute ihm unmittelbar in die Augen und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. Da erst wurde Cadvan das Ausmaß ihrer Wut klar, und einen Lidschlag lang zeigte er sich regelrecht erschrocken. Er begann sich aus dem Stuhl zu erheben.
»Beim Licht, Maerad, was ist denn los?«, fragte er. »Wir haben doch bloß dabei versagt, ein paar Barden zu überzeugen. Ich gebe zu, das ist ein Rückschlag, aber …«
»Wo ist Hem?« Maerads Stimme klang kalt und hart.
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich in der Küche.«
»Ich gehe ihn suchen.« Damit wandte sie sich zum Gehen, doch Cadvan ergriff ihren Arm und wirbelte sie zu sich herum, musterte prüfend ihre Züge. Schließlich fragte er mit sanfter Stimme: »Was ist denn, Maerad? Was ist plötzlich in dich gefahren?« »Vielleicht komme ich ohne dich besser zurecht.« Hasserfüllt starrte Maerad ihn an. Nein, diesmal würde sie nicht auf seine Schliche hereinfallen.
»Bist du verrückt geworden?« Cadvans Gesicht wurde blass, sodass die Peitschennarben deutlich hervortraten. Einen Lidschlag lang geriet Maerad ins Zaudern.
»Nein.« Sie rief sich den Untoten Likud ins Gedächtnis, dem sie an den Gebrochenen Zähnen begegnet waren, und stählte sich. »Bitte lass meinen Arm los.« »Was hat bloß Besitz von dir ergriffen?«, fragte Cadvan. »Wo willst du denn alleine hin? Glaubst du, Hem und du könnten überleben, wenn in ganz Annar Untote hinter euch her sind?«
Maerad funkelte ihn verächtlich an und entwand sich seinem Griff. »Ich bin zuvor auch alleine zurechtgekommen«, gab sie zurück. »Und es wäre wohl besser, wenn ich gar nicht erst mit einem Untoten reise.«
Alles Blut wich Cadvan aus dem Gesicht, und seine Hand sank schlaff hinab. Eine Weile zeigte er sich sprachlos. Dann blickte er ihr eindringlich in die Augen und sprach leise in der Sprache: // ver umonor imenval kor, dhorDhülareare de niker kor…
Die Worte rieselten sanft wie Schneeflocken in Maerads Verstand, dennoch zuckte sie zusammen, als hätte er sie geschlagen. »Bei allem, was wir zusammen durchgemacht haben, bei dem vereidigten Bund, den du mir als deinem Lehrer schuldest und bei dem tiefer reichenden Bund, den du mir als deinem Freund schuldest, bitte ich dich, sag mir: Was ist mit dir geschehen, Maerad von Pellinor?«
Stumm stand sie vor ihm, während ihr überwältigendes Misstrauen und ihre Angst mit anderen Erinnerungen rangen: Ihr erster Anblick Cadvans im Kuhstall und ihr Vertrauen, das sie ihm, einer Eingebung folgend, geschenkt hatte; ihre zahlreichen gemeinsamen Tage, die sie Seite an Seite geritten waren; die Scherze, über die sie zusammen gelacht hatten; Cadvans Antlitz, in der unschuldigen Verwundbarkeit des Schlafes, niedergestreckt von den Untoten, schimmernd vor Licht, furchtlos im Angesicht des Kulags und des Unholds. Mit einem Gefühl der Übelkeit im Magen wandte sie den Kopf ab.
»Du bist der Finsternis gefolgt«, stieß sie mit belegter Stimme hervor. »Du hast das Licht verraten. Ich kann nicht länger bei dir bleiben.« Sie blickte Cadvan kurz ins Gesicht, dann senkte sie die Augen wieder. »Oder leugnest du es?«
»Nein«, antwortete er. »Nein, ich kann es nicht leugnen.« Maerad hatte erwartet, dass er sich dagegen verwehren würde; seine Erwiderung brachte sie vorübergehend aus dem Gleichgewicht. »Ich bin zwar nie ein Untoter gewesen, aber ich …
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