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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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»Maerad, das alles sind dunkle Erinnerungen für mich. Wenn du willst, erzähle ich dir noch mehr, aber ich möchte lieber nicht allzu lange dabei verweilen. Dies ist die Zusammenfassung dessen, was ich mit der Finsternis zu tun hatte. Seither habe ich mich mehr im Dienst des Lichts und des Gleichgewichts verausgabt als jeder andere Barde, den ich kenne. Das schwöre ich dir bei allem, was mir heilig ist.« Maerad nickte langsam. Sie wandte sich von ihm ab und saß eine Weile nachdenklich da, ließ sich durch den Kopf gehen, was er ihr erzählt hatte. Nun verstand sie Cadvans Einzelgängertum. Sie bemitleidete den jungen Barden, der er gewesen war. »Wer… wer war die Bardin, die starb?«
    Erst dachte sie, Cadvan würde nicht antworten. Als er es doch tat, hörte seine Stimme sich belegt an.
    »Ihr Name war Ceredin«, sagte er. »Sie war sehr jung, wunderschön und meine große Liebe. Sie war eine Bardin von außergewöhnlicher Begabung. Vielleicht wäre sie besser geworden als ich. Auf jeden Fall war sie weiser.« Unter der Verbitterung in seiner Stimme hörte Maerad den Schmerz eines unverheilten Kummers. Einen Lidschlag lang durchzuckten sie Cadvans Empfindungen, und sie sah flüchtig Ceredin vor ihrem geistigen Auge: ein dunkeläugiges, zierliches Mädchen mit derselben stolzen Haltung, an die sie sich von Milana erinnerte. »Diesen Tod werde ich ewig mit mir herumtragen«, stieß Cadvan schroff hervor, obwohl Maerad nicht entging, dass seine Stimme dabei stockte. »Ich kann mir dafür nie vergeben.«
    Maerad drehte sich um und sah Cadvan in die Augen. Zum ersten Mal setzte sie ihre Gabe ein: Sie drang in sein Bewusstsein, wie sie es fast getan hätte, als er sie vor scheinbar langer Zeit einem Seelenblick unterzogen hatte. Maerad spürte, wie Cadvan ob ihres plötzlichen Eindringens erst zusammenzuckte und sie dann gewähren ließ, die Schilde senkte, mit denen er sein innerstes Ich schützte. Einen kurzen Augenblick lang fühlte es sich an, als wäre sie Cadvan, mit Cadvans Erinnerungen, Sehnsüchten und Bedauern, und sie empfand seine Qualen so heftig, als wären es ihre eigenen. Sie blickte nur so lange in ihn, wie es notwendig war; eine solche Nähe konnte sie nicht lange ertragen. Dann wandte sie sich ab und starrte wieder hinaus in den Garten. Die finstere Stimmung, die sie seit dem Rat befallen hatte, hob sich allmählich von ihr, als kröche die Sonne nach einer langen, bitteren Nacht hinter dem Horizont der Seele hervor. Gleichzeitig spürte sie, wie eine unvorstellbare Müdigkeit über ihr zusammenschwappte.
    »Es tut mir leid, Cadvan«, sprach sie leise, nach wie vor an den Garten gewandt. »Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, als…« Ihre Stimme verlor sich. Cadvans Geständnis hatte die Erinnerung aus Maerads Kopf verdrängt, die in der Kristallhalle über sie hereingebrochen war. Nun kehrte sie zurück, doch statt Grauen spürte sie Entschlossenheit in sich heranwachsen. Ihr Zusammenbruch war von der Finsternis in der Flamme heraufbeschworen worden; sie war überzeugt davon, dass die Finsternis sie spüren konnte und danach trachtete, sie zu stören, indem sie ihren Verstand verwirrte und benebelte. Die Finsternis hatte sie mit trostloser Hoffnungslosigkeit geblendet, alles um sie herum hatte verderbt und faulig gewirkt. Maerad durfte nicht zulassen, dass dies erneut geschah. »Und jetzt«, sagte Cadvan und riss sie damit aus ihrer Grübelei, »kannst du mir erzählen, was das alles verursacht hat.« Seine Stimme klang wieder normal, und ihr fiel ein, was Nelac über ihn gesagt hatte: Wenn er versucht, etwas zu verbergen, ist es nahezu unmöglich festzustellen. Und doch hatte Cadvan ihr gestattet zu sehen, was er verborgen hielt; seine Demut und sein Vertrauen, die er damit unter Beweis stellte, hatten sie erschüttert. Krampfhaft versuchte sie, die Gedanken zu ordnen. »Es war Enkir«, sagte sie schließlich. »Ich kenne ihn. Ich habe ihn früher schon einmal gesehen…«
    Anschließend berichtete sie Cadvan, weshalb sie ohnmächtig geworden war und was sie über Enkir wusste. Dabei gelang es ihr nicht, ihren Hass aus der Stimme zu verbannen, ihre Verachtung für Enkirs Verrat, und noch während sie sprach, spürte sie, wie heiß das Verlangen nach Vergeltung in ihr aufstieg. Cadvan saß neben ihr, lauschte aufmerksam und unterbrach sie nicht, wenngleich sich seine Züge zunehmend verhärteten. Nachdem sie mit ihrer Schilderung geendet hatte,

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