Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Seiten.«
Lächelnd ergriff Malgorn ihre Hand und verneigte sich darüber, dann wurde er plötzlich ernst. »Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen, Maerad von Pellinor«, sagte er. »Ich dachte, es würde niemand von deiner Schule mehr leben. Sie nimmt in meinem Herzen einen Platz wie keine andere ein und war eine der schönsten in ganz Annar.«
Maerad schaute in ein Paar warmherzige braune Augen auf und schluckte. Sie vollführte einen linkischen kleinen Knicks, und Malgorn ließ ihre Hand los. Dann geleitete er sie durch das Tor, einen kleinen Kreuzgang entlang und weiter in den ersten Hof der Schule von Inneil.
Hätte Malgorn sie dort nicht gleich weitergeführt, wäre Maerad stehen geblieben und hätte erstaunt um sich geglotzt. Das Mondlicht schien auf gepflegte, von großen, glatten Steinplatten gesäumte Gärten. In der Mitte plätscherte ein Springbrunnen gleich einem glitzernden Schleier. Männer und Frauen, die über den Hof schlenderten, betrachteten sie mit gelassener Neugierde. Fernab in einem Gebäude spielte jemand Flöte, aus einer anderen Richtung hörte Maerad zu einem Lied vereinte Stimmen. Etwas in ihr regte sich wie eine lang verschüttete Erinnerung.
Doch ihr blieb keine Zeit, die Umgebung näher zu begutachten, denn Malgorn scheuchte sie eilends durch gewundene Straßen zwischen prunkvollen Bauwerken und über weitere Höfe zu einem großen Steinhaus mit hohen, schmalen Fenstern, aus denen Licht so gelb wie Butter drang. Malgorn schwang die reich ziselierten Doppeltüren auf, trat in die Eingangshalle und rief: »Silvia! Silvia! Wir haben Gäste!« Und das war alles, was Maerad sah, bevor eine tiefe Schwärze über ihr zusammenschwappte und sie ohnmächtig zu Boden glitt.
Zweiter Teil
Inneil
Weit war die Welt, und der Wald grün-golden Im Anbeginn Ulnars, unbefleckt, nicht verdunkelt, Als Mercan der Meister am Morgen hervortrat, Seines Volkes Fürst, furchtlos und weiskundig. Machtvolle Magier waren Maldans Sänger, Doch der Größte im Geiste war Goldhand Mercan, Weithin bewandert im Weistum der Alten, Arestors Erstling, Erzmagier der Künstler. In der Sprache der Sterne beschwor er im Lied Des Frühlings Frische auf die Fluten des Lir. Lang waren die Tage, und Lachen erklang In den heiligen Hallen, wo die Hohen lauschten, Die längst schon vergessen, nur im Lied betrauert In der Weissänger Worte, die wehmütig künden: Groß waren im Glanz des Goldes die Häuser Über dem See, wo die Schmelzwasserflössen, Hoch lag das Heim, in dem Mercan Hof hielt, Golden das Licht auf dem verlorenen Lirion.
Aus Mercans Queste
Sechstes Kapitel
Ein blaues Kleid
Maerad schlug die Augen auf und blinzelte die schwarzen Punkte weg. Ihr Kopf brummte, und es dauerte ein paar Lidschläge, bis ihre Sicht sich schärfte und sie erkennen konnte, wo sie sich befand. Jemand hatte sie auf einen Stuhl gehoben, und Cadvan beugte sich mit einem kleinen Glas voll goldener Flüssigkeit in der Hand zu ihr.
»Trink«, forderte er sie auf. Sie hatte noch nie zuvor Glas berührt, weshalb sie es so vorsichtig ergriff, als könnte es zerspringen; es fühlte sich kühl und leicht in ihren Fingern an. Das Getränk rann ihre Kehle hinab wie eine stumpfe Flamme, verbrannte ihr den Gaumen, und sie verschluckte sich, als in ihrem Mund ein Nachgeschmack gleich einer sanften Explosion von Früchten aufblühte. Wärme durchströmte ihren Körper bis zu den Zehen, und einen Augenblick glaubte sie, sich übergeben zu müssen. Selbst in ihrem gegenwärtigen Zustand hätte sie eine solche Demütigung kaum ertragen; doch dann ging das Gefühl vorüber.
»Nimm noch einen Schluck«, sagte Cadvan.
»Was ist das?«, wollte sie wissen. Trotz des anfänglichen Brennens unterschied sich das geistige Getränk völlig von dem scharfen Voka, den Gilmans Männer soffen. »Das ist Laradhel, eine Spezialität des Hauses«, erklärte Cadvan. »Gebrannt aus ausgewählten Kräutern und Früchten, vor allem Aprikosen, richtig, Malgorn?« Mit hochgezogener Augenbraue blickte er zu seinem Freund, der nickte. »Und obendrein noch von diesem ganz besonderen Tafelkenner. Malgorn beschäftigt sich hingebungsvoll mit der Kunst des Brauens und Brennens, zum Vergnügen und als Heilmittel.« Sie trank erneut, und diesmal verschluckte sie sich nicht. Nippend leerte sie das Glas und gab es Cadvan zurück. Weniger schwindlig, aber leicht benommen sah sie sich im Raum um.
Sie befand sich in einer Kammer, die ihrer getrübten Wahrnehmung wie eine Vision
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