Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
sind«, meinte er. »Ich hatte schon das Gefühl, dich bereits zu kennen. Gut, gut. Also, Mara - ich meine, Maerad -, du musst mir alles erzählen.«
Selbst in ihrem kleinen Zelt und unmittelbar vor dem Ofen lag eine klirrende Kälte in der Luft. Draußen begann der Wind zu heulen, und die dünne Zeltwand wellte sich. Maerad schauderte und zog die Felle enger um sich; selbst für diesen winzigen Unterschlupf war sie dankbar. Nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte, schilderte sie die Geschichte ihres Lebens - zum mittlerweile wievielten Male?
Dharin erwies sich als guter Zuhörer; aufmerksam schweigend lauschte er der gesamten Erzählung. Nachdem Maerad geendet hatte, schaute sie zu ihm auf. Er starrte zu Boden.
»Danke, Maerad«, murmelte er. »Ich finde, deine Geschichte ist sehr traurig. Naja, wenigstens verstehe ich jetzt ein paar Dinge. Und mir ist klar, was Sirkanas Äußerung mir gegenüber zu bedeuten hatte.«
Maerad verspürte Dankbarkeit für sein schlichtes Verständnis. Sie hatte sich schuldig gefühlt, weil sie ihn getäuscht hatte, und gefürchtet, dass ihr Trug das Vertrauen zwischen ihnen beeinträchtigen könnte.
»Ich bin froh, dass du mein Vetter bist«, sagte sie. »Ich wollte es dir schon früher sagen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, es nicht zu können.« »In Tagen wie diesen braucht man sich für Vorsicht nicht zu entschuldigen«, erwiderte Dharin. Unwillkürlich gähnte Maerad, woraufhin er freundlich lächelte. »Morgen steht uns ein anstrengender Tag bevor«, meinte er. »Wir müssen schlafen.« Er machte den Ofen aus und verstaute ihn sorgfältig dort, wo ihre Füße sein würden, wenn sie sich hinlegten. Dann küsste er Maerad auf beide Wangen. »Schlaf gut, Base.« »Du auch«, gab Maerad zurück. Diesmal schlief sie ein, kaum dass sie die Augen geschlossen hatte.
Die nächsten paar Tage der Reise verliefen weniger angenehm als die vorherigen. Der Wind entwickelte sich nicht ganz zum Sturm, es blieb bei endlosem Schnee und klirrender Kälte. Dharin fuhr langsamer und hielt angespannt nach Anzeichen für Bäume oder sonstige Hindernisse Ausschau. Maerad bedeckte das Gesicht und versuchte danach, sich unter die Felle zu kuscheln und zu schlafen. Vorwiegend verspürte sie Langeweile; es gab nichts zu sehen, und es war sehr kalt.
Das enge Zusammenleben mit den Hunden trug erheblich dazu bei, Maerads Angst vor ihnen zu schmälern; sie waren halb wilde Kreaturen, aber sie taten ihr nichts, sondern behandelten sie eher, wie sie fand, mit einer Art freundlicher Verächtlichkeit. Allmählich lernte Maerad, sie und ihre verschiedenen Persönlichkeiten voneinander zu unterscheiden. Sie konnte Fang mit ihrem schwarzen Fell und der hervorstechenden weißen Krause erkennen. Dann gab es einen jungen grauen Hund namens Ponto, das Küken des Gespanns, der die älteren Hunde häufig verärgerte, weil er versuchte, an ihren Schwänzen zu knabbern, und spielen wollte, wenn sie sich ausruhten; er erinnerte Maerad irgendwie an Hem. Ein anderes der Tiere, einen großen grauen und schwarzen Hund namens Neck, merkte sie sich wegen der eigenartigen weißen Tupfen um seinen Hals. Die anderen verwechselte sie immer noch mehr oder weniger miteinander, aber sie lernte dazu.
Seit dem Beginn der Reise hatte Dharin sie dazu gedrängt zu lernen, wie man den Schlitten lenkte, und eines Nachmittags gab sie nach. Sie stand auf der Plattform am Heck, während Dharin auf ihrem üblichen Platz saß. Maerad ergriff die Zügel. »Sag jetzt: >Ot!<« forderte er sie auf; dies war das Pilanel-Wort für »los«. Maerad tat, wie ihr geheißen, doch nichts geschah. »Sag es noch mal, aber entschiedener«, rief Dharin ihr zu. Maerad versuchte es erneut, doch die Hunde schenkten ihr immer noch keine Beachtung. Diesmal ärgerte Maerad sich ein wenig, und bevor Dharin ihr weitere Anweisungen geben konnte, wechselte sie in die Hohe Sprache: »Imü!«
Die Hunde sprangen los. Mit einer gewissen Selbstzufriedenheit spürte Maerad ihre Überraschung, und sie begann, sie zu belauschen; während sie rannten, beklagten sie sich beieinander. Wer ist sie ? Und Du hast mir nie gesagt, dass sie eine Wolfszunge besitzt! Und Halt die Klappe, Holzzahn, und lauf weiter. Maerad lachte laut auf, und Dharin blickte sie sichtlich beeindruckt an. »Das hat ihre Aufmerksamkeit erregt«, stellte er fest. »Tja, vielleicht brauche ich dir gar nichts beizubringen. Alle Befehle werden mittels Sprache erteilt: Man sagt >rechts<, >links<,
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