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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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geschäftiges Treiben. Neben ihrem Bett befand sich eine mit heißem Haferschleim gefüllte Schale, die noch dampfte. Sie hatte niemanden hereinkommen hören, aber sie nahm sich mit einem leichten Hinken entfernende Schritte wahr: Gimas Schritte. Hier ist niemand, dachte sie. Und hier war nie jemand außer Arkan, Gima und mir. Es ist alles nur Trug. Der Winterkönig ist der Berg, und der Berg ist der Winterkönig. Ich bin in seinem Geist gefangen. Sie stand auf, zog sich an und aß hungrig den Haferschleim. Dann bahnte sie sich einen Weg durch die endlosen Gänge, den sie sich vom Vortag ins Gedächtnis rief, indem sie die Abzweigungen wie bei einem Musikstück auszählte. Ihr unterliefen keine Fehler, und sie gelangte geradewegs zum Ausgang. Es war Tag. Der Schnee warf das Licht einer fahlen, aber hellen Sonne zurück, das sie kurzzeitig blendete. Maerad legte sich die Hände an die Stirn, wartete, bis ihre Augen sich angepasst hatten, und atmete derweil die kalte Luft ein.
    Bald konnte sie die Gebirgslandschaft erkennen, verschneite Hänge, die zu steilen grauen Felsgipfeln hin anstiegen, unterbrochen einzig von vereinzelten Kiefern- und Tannengehölzen. Aufmerksam beobachtete sie die Sonne, um die Lage dieses Ortes einzuordnen; nach einer Weile beschlich sie die Überzeugung, dass die Südstraße entlang des Berges des Winterkönigs verlief. Das Trukuch-Gebirge schien nicht so hoch oder unwirtlich zu sein wie der Osidh Elanor. Wenn Gima recht hatte und Arkan-da etwa in der Mitte der Berge lag, könnte sie die Breite der Kette wahrscheinlich an einem Tag überqueren.
    Sie stapfte über den Schnee zu dem schwarzen Bogen und untersuchte ihn vorsichtig, wobei sie darauf achtete, nicht darunter hindurchzugehen. Behutsam schirmte sie ihre Magie ab und versuchte, den Bogen im Geiste auszuloten, um zu bestimmen, ob es ihr gelingen könnte, unter Einsatz ihrer eigenen Kräfte auszubrechen. Sie überlegte, ob die Leier dabei helfen könnte, zumal sie Arkans Trugzauber aufzuheben schien, gelangte aber zu keinem Schluss. Wenn ich es versuche und dabei versage, bekomme ich keine zweite Gelegenheit, dachte sie. Also werde ich es wohl blindlings versuchen müssen. Und was dann ? Wenn mir die Flucht gelingt, wird er die Frostkreaturen hinter mir herhetzen. Oder sich gar selbst auf die Jagd nach mir begeben. Und ich werde einfach auf einem Berghang erfrieren. Wäre ich eine Spielerin, dachte sie, würde ich nicht auf mich setzen. Widersinnigerweise spornte der Gedanke sie an, und sie machte kehrt, um zum Höhleneingang, der Pforte des Eispalasts zurückzugehen, halb fürchtend, halb hoffend, dass der Winterkönig sie dort erwarten würde. Es war niemand da, aber das Kribbeln einer Vorahnung ließ sie über die Schulter zurückschauen. Hoch auf einem Hang jenseits des Bogens stand ein riesiger weißer Wolf, der sie mit gelben Augen anstarrte.
    Maerad erwiderte den Blick. Der Wolf wirkte nicht bedrohlich; vielmehr sah er aus, als wartete er auf etwas. Auf mich!, dachte sie und hätte beinahe aufgelacht.
    Ja, sprach der Wolf in ihrem Geist. Ich warte auf dich.
    Vor Überraschung verschlug es Maerad die Worte, und sie starrte nur stumm zu dem Tier hinüber.
    Sag nichts, warnte sie der Wolf. Du würdest gehört. Lausche. Erinnere dich. Dreigezüngelter Stimme Klang. Drei Sprachen. Drei Namen. Ohne eine Erwiderung abzuwarten, sprang der Wolf davon und verschwand flugs hinter der Kuppe des Hangs. Maerad schüttelte den Kopf. Das Tier hatte keine Abdrücke hinterlassen; der Schnee an der Stelle, an der es sich befunden hatte, war völlig unberührt. War dies eine weitere Einbildung gewesen? Oder eine Art Werwesen? Oder lag es nur daran, dass sie allmählich den Verstand verlor?
    Es ist durchaus möglich, dachte Maerad, dass ich verrückt werde. Dann stockte sie jäh, als ihr klar wurde, was der Wolf gemeint hatte. Drei Sprachen: die der Menschen, der Barden und der Elidhu. Drei Namen. Sie musste drei Namen besitzen. Maerad, Elednor und einen weiteren, den nicht einmal sie kannte. Einen tiefer reichenden, wahren Namen.
    Der Winterkönig kannte ihren dritten Namen nicht.
    Ohne jemandem zu begegnen, wanderte sie zurück zu ihrer Kammer. Dort fand sie Gima vor, die ihrer aufgeregt harrte. »Der Meister erwartet dich, er erwartet dich«, zischte sie. »Wo bist du gewesen?«
    »Er weiß, wo ich war«, gab Maerad ruhig zurück. Allerdings fühlte sie sich nicht ruhig; als sie draußen gestanden hatte, war der Fluchtversuch für sie

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