Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
beschlossene Sache gewesen. Doch der Gedanke, Arkan gegenüberzutreten, öffnete eine Leere in ihrer Magengrube.
»Komm, komm, komm«, forderte Gima sie auf und wirkte einer Panik nahe. »Komm, wir haben keine Zeit, er ist ungeduldig.«
»Nicht so eilig«, entgegnete Maerad. Während Gima machtlos zappelte, ergriff Maerad ihre Leier und sah sich bedächtig im Raum um, ob sie sonst noch etwas brauchte, wenngleich sie wusste, dass dem nicht so war. »Jetzt bin ich bereit.« Mit bewusst langsamen Schritten folgte sie Gima, die hastig die Gänge entlangeilte und sich an jeder Ecke umdrehte, um Maerad zuzuzischen, sie sollte zu ihr aufschließen und sich beeilen. Maerad aber weigerte sich, schneller zu gehen. Ich gebe die Geschwindigkeit vor, dachte sie. Er kann mich nicht zwingen zu rennen.
Die Gänge verfinsterten sich, als sie sich dem Thronsaal näherten, und Gima zögerte. Maerad erbarmte sich ihrer. »Schon gut«, sagte sie. »Ich kenne den Weg.«
»Du musst hingehen«, wimmerte Gima. »Er wartet. Man darf ihn nicht warten lassen.«
Er kann warten, dachte Maerad. »Ich werde geradewegs hingehen«, versprach sie. »Keine Angst.«
Damit ging sie weiter und ließ Gima zurück, die händeringend dastand und weder wagte, Maerad zu begleiten, noch umzukehren. Das Licht in den Wänden glich heftigem Wetterleuchten, grell und zornig, nicht dem sanften Schein, an den sie sich gewöhnt hatte. Als sie die Doppeltür zum Thronsaal erreichte, hielt sie inne und schluckte schwer. Sie spürte den Zorn des Winterkönigs: Er schien die Eisentür in Schwingung zu versetzen. Langsam schob Maerad sie auf und ging hinein.
Der Saal wirkte größer und seltsam verzerrt im ungewissen Licht. Aus dem Becken strömte ein lebendiger Schein, der seltsame Reflexe an die Decke warf. Das Podium lag im Schatten; alles, was sie erkennen konnte, war ein dunkler, bedrohlicher Schemen. Maerads Nerven ließen sie beinahe im Stich, doch sie holte tief Luft und straffte den Rücken. Langsam schritt sie in die Mitte des Raumes.
»Elednor von Edil-Amarandh«, sagte der Winterkönig. Maerad zuckte zusammen; als er ihren Namen aussprach, schmerzte es sie wie ein Peitschenhieb. »Endlich bist du da.«
Maerad starrte in die Schatten, und allmählich lichtete sich die Dunkelheit um das Podium. Der Winterkönig stand vor dem Thron, gekleidet in ein so dunkelblaues Gewand, dass es schwarz anmutete. Um seine Stirn prangte eine Krone aus flackernden blauen Blitzen, und in seinen Augen loderte grünes Feuer.
Maerad leckte sich über die trockenen Lippen. »Du bist wütend?«, fragte sie zaghaft. »Ich dachte, Zeit hätte keine Bedeutung für dich.«
»Du hast versucht, mich zu täuschen«, erwiderte der Winterkönig. »Es ist anmaßend, meine Gastfreundschaft dermaßen zu missbrauchen.«
»Ich verstehe nicht.« Er weiß es, dachte sie voll plötzlicher Panik; er weiß, dass meine Kräfte zurückgekehrt sind. »Aber wie kann ich dich in deinem eigenen Palast täuschen? Du hast mir doch gesagt, dazu wäre ich nicht in der Lage.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht zum Narren halten.« Arkan trat einen Schritt auf sie zu, und die Blitze um seine Stirn zuckten gefährlich. »Ich weiß, dass du versucht hast, dich vor mir zu verbergen. Das gestatte ich nicht.« Also hatte er ihren Schild gespürt.
Maerad begegnete ihm mit allem Hochmut, den sie aufzubringen vermochte. »Mir war nicht klar, dass mir deine Gastfreundschaft keinerlei Zurückgezogenheit zugesteht«, sagte sie.
»So etwas gibt es hier nicht für dich«, erwiderte Arkan. »Ein solches Vertrauen hast du dir nicht verdient.«
»Und weshalb sollte ich dir vertrauen?«, entgegnete Maerad hitzig. »Was glaubst du wohl, wie es sich anfühlt, ständig beobachtet zu werden wie ein - ein gefangenes Tier? Welches Recht hast du, mich anzuklagen? Ich habe nichts Falsches getan.«
»Ich werde nicht dulden, dass du dich meiner Macht widersetzt«, sagte Arkan. »Wie soll ich mich deiner Macht widersetzen?«, wollte Maerad verbittert wissen. »Du sagst doch, dass ich selbst hier keine Macht besitze.« »Würde ich beschließen, dir alle Macht zu nehmen, wärst du außerstande, ohne meine Erlaubnis auch nur einen einzigen Finger zu rühren.« Mit Geringschätzung starrte der Winterkönig sie an. »Ein wenig lasse ich dir als Höflichkeitsbezeugung. Es ist nicht klug von dir, das gegen mich zu verwenden. Selbst im Vollbesitz deiner Kräfte wärst du keine Herausforderung für mich.« »Seltsam, dass du
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