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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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erschienen gering, geradezu selbstmörderisch gering, aber sie musste es versuchen.
    Maerad schob ihre Zweifel beiseite und richtete ihre Gedanken auf die erste Frage: wie sie aus dem Palast gelangen sollte. Sie würde alle Zauber im Bett liegend wirken und dabei so aussehen müssen, als schliefe sie - nicht die besten Voraussetzungen für Magie. Sie legte sich so gerade wie möglich hin, dann presste sie die Lippen aufeinander und begann mit dem Schild.
    Es dauerte eine Weile, zumal der Schild genau abgestimmt werden musste. Sie achtete darauf, jegliche Magie zu verhüllen, die das Wenige überstieg, dessen der Winterkönig gewahr geworden war, aber nicht so viel, dass es den Eindruck erwecken könnte, sie sei verschwunden. Es war ein gewagtes Unterfangen, weil ihre Magie offen zu spüren sein würde, während sie den Schild fertig stellte, und sie musste langsam, Stück für Stück dabei vorgehen, durfte ihre Macht nur in winzigen Maßen zum Einsatz bringen, damit ihr Widersacher nicht darauf aufmerksam wurde. Nebenher achtete sie mit allen Sinnen auf etwaige Veränderungen im Palast, auf jedweden Wechsel des Lichts, der ihr anzeigen konnte, dass sie entdeckt worden war. Mit geschlossenen Augen sprach sie in Gedanken die Worte, die den Zauber auslösten, und testete ihn behutsam. Soweit sie es beurteilen konnte, schien er zu wirken und nicht bemerkt worden zu sein.
    Danach begann sie mit der Arbeit an ihrem Ebenbild. Es zu erschaffen nahm beträchtliche Zeit in Anspruch; schließlich durfte es nicht nur eine grobe Gestalt werden, die bestenfalls aus der Ferne zu täuschen vermochte. Es würde nicht nur wie Maerad aussehen, sondern sich auch wie sie anfühlen müssen. Sie arbeitete in Schichten. Zuerst stellte sie sich ihren Geist vor, die Farben ihrer Gefühlsregungen, die Ballung ihrer Macht. Sorgsam wob sie deren Umrisse und überprüfte sie laufend, um zu gewährleisten, dass sie sich echt anfühlten. Als sie fertig war, enthielt ihr Geist eine Nachbildung ihrer selbst, eine Hülle, die mit ihrem Ich widerzuhallen schien, wenn sie daran zupfte. Dann fing sie mit dem Körper an, bildete ihn um das Geflecht ihres Geistes herum: Knochen, Blut, Adern, Muskeln und zuletzt Haut und Haar.
    Somit bestand das Ebenbild in ihrem Geist, der echten Maerad getreu bis in die kleinste Kleinigkeit, und wartete nur noch auf das Wort der Macht, um es erscheinen zu lassen, es zum Atmen zu bringen. Maerad holte tief Luft und bereitete sich auf den Höhepunkt und zugleich schwierigsten Teil ihrer Aufgabe vor: die Erschaffung des Ebenbilds und ihr gleichzeitiges Verschwinden. Sie hatte ihren Geist bereits geleert und sammelte geduldig ihre Macht, als sie Schritte hörte, die sich ihrer Kammer näherten. Es war Gima.
    Maerad fluchte leise und hielt inne. Es war, als hätte sie alle Muskeln für einen Sprung gespannt und wäre dann gezwungen worden, sich zurückzuhalten, all die Kraft zu bremsen, ohne umzukippen und ohne den Schwung für ihren Sprung zu verlieren. Sie hörte, wie der Vorhang vor dem Eingang beiseitegezogen wurde und die Schritte sich dem Bett näherten. Schließlich blieben sie stehen, und sie vernahm Gimas schweren Atem. Bald darauf drehte Gima sich um und verließ die Kammer wieder.
    Maerad wartete, bis sie sicher war, dass die Schritte sich weit genug entfernt hatten, dann holte sie abermals tief Luft. Ihr Geist schmerzte ob der Anstrengung, beide Zauber zeitweilig außer Kraft zu setzen, und sie zitterte am ganzen Leib. Dann ließ sie behutsam das Ebenbild entstehen und ließ sich selbst gleichzeitig verschwinden.
    Es gelang ihr nicht ganz vollkommen; ein winziger Augenblick verblieb, in dem es zwei Maerads gab, die Seite an Seite auf dem Bett lagen; sie fand es beunruhigend, sich ins eigene Antlitz zu blicken. Danach erhob sie sich aus dem Bett und lauschte; all ihre Sinne achteten angespannt auf etwas Ungewöhnliches im Palast. Doch abgesehen von Gimas sich entfernenden Schritten herrschte Stille.
    Maerad bückte sich, um ihr Bündel zu ergreifen; dabei wurde ihr klar, dass sie kein Ebenbild davon erschaffen hatte - Gima würde auffallen, dass es fehlte. Nach der Magie, die sie soeben gewirkt hatte, war dieser Zauber einfach, und diesmal gelang es ihr tadellos, das echte Bündel in jenem Lidschlag verschwinden zu lassen, in dem das andere erschien. Rasch tastete sie nach dem Bündel, dann schwang sie es sich auf den Rücken und sah sich in dem Raum um, der die vergangenen Tage ihr Gefängnis gewesen war. Dabei

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