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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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rufen. Dann wandte sie ihre Gedanken Cadvan zu und musste erkennen, dass sie sich nicht an seine Augen erinnern konnte. Sie waren blau, dachte sie grimmig; blau.
    Aber alles, was sie vor sich sah, war das Eisblau der Augen des Winterkönigs und ihre seltsam geschlitzten Pupillen, als er gesagt hatte: Ich hatte vor, dich als meine Königin zu ehren.
    Ich bin so müde, dachte sie. So unsagbar müde. Ich kann seinen Bann nicht abschütteln. Ich kann nicht einmal das Gesicht von ihm abwenden und so tun, als empfände ich nicht, was ich fühle. Sie war überzeugt davon, dass der Winterkönig sie verhext hatte; dennoch war sie gleichzeitig ganz sicher, dass das, was sie empfand, nicht falsch war. Sie wollte den Winterkönig nicht verlassen, nicht einmal um sich selbst zu retten, obwohl ihr klar war, dass ihr dazu keine andere Wahl blieb.
    Nach und nach verebbte das Zittern ihrer Glieder. Sie fühlte sich missmutig und leer. Sie ergriff ihre Leier, die neben ihr auf dem Bett lag, und strich langsam mit der rechten Hand über die Saiten, sodass jede Note einzeln erklang. Das Eislicht flackerte und verblasste, enthüllte die rauen Felswände ihres Kerkers, und das Schwächegefühl ließ ein wenig nach. Zehn Saiten, zehn Noten, zehn Runen, dachte sie abwesend. Drei Sprachen, drei Namen, drei Bedeutungen. Das ergibt neun, eins zu wenig. Den Schlussstein der Musik, die Lösung des Rätsels. Was mochte das sein?
    Abermals schlug sie jede Saite an und fragte sich, ob jede Note zu einer Rune gehörte. Allerdings wusste sie nicht, wie, und wahrscheinlich ergab es ohnehin keinen Sinn, solange sie die vom Namenlosen gestohlenen Runen nicht hatte. Wenn das Lied in der Hälfte geteilt worden war, musste es zwanzig Runen geben. Besaß auch der Namenlose eine Leier mit zehn Saiten?
    Verärgert über sich selbst setzte sie sich auf, und dabei dämmerte ihr, dass sie wusste, wie sie den Winterkönig täuschen konnte. Er wusste, wann sie nicht da war, wann sie aus seiner Sicht verschwand. Folglich musste sie ein Ebenbild erschaffen, das ihr in jeder Hinsicht entsprach und sie ersetzte, wenn sie ihre Macht einsetzte, um zu verschwinden. Wenn sie schlief, wurde sie nie gestört, also musste sie das Ebenbild schlafend zurücklassen. Wenn ihr Plan aufginge, hätte sie ein paar Stunden Vorsprung, bis ihre Abwesenheit bemerkt würde. Der beste Zeitpunkt dafür war jetzt gleich; der Winterkönig war sich seiner Macht über sie sicher und würde unachtsam sein. Und vielleicht fühlte nach dem Lesen der Runen auch er sich erschöpft, wenngleich sie nicht wusste, ob Elidhu überhaupt Erschöpfung verspüren konnten. Aber vielleicht hatte seine Wachsamkeit nachgelassen.
    Sie ließ sich ihren Einfall durch den Kopf gehen, tastete ihn auf Schwachstellen ab, von denen es reichlich gab. Sie hatte erst zwei Mal ein Ebenbild von sich erschaffen, einmal beim Lernen mit Nerili in Thorold, einmal in den Bergen, um die Iridugul zu überlisten. Auch wenn sie wusste, dass sie dazu in der Lage war und sich an den Zauber erinnerte, war sie keineswegs geübt darin. Außerdem hatte sie noch nie zwei Zauber gleichzeitig gewirkt und hatte keine Ahnung, ob dies überhaupt möglich war. Wenn sie es versuchte und es nicht gelang, würde sie entdeckt werden. Sie wagte nicht, sich auszumalen, was die Folge sein mochte. Rasch verdrängte sie den Gedanken. Stattdessen steckte sie behutsam ihre Leier in die Hülle und verstaute sie zusammen mit ihren anderen Habseligkeiten. Dann legte sie sich ins Bett, ohne die Kleider auszuziehen, und zog die Decke über sich.
    Zuerst musste sie einen Schild schaffen, der ihre Magie vor Arkan verbarg, nicht jedoch sie selbst. Unter diesem Schild konnte sie das Ebenbild anfertigen, es so weit vorbereiten, dass sie nur noch den Zauber einzusetzen brauchte, der es sichtbar werden ließ. Danach musste sie verschwinden und die beiden Zauber so genau aufeinander abstimmen, dass ein nahtloser Übergang zwischen ihrem Verschwinden und dem Erscheinen des Ebenbilds entstand.
    All das erschien unmöglich, und kurz versank sie in dunklen Trübsinn. Dann jedoch erinnerte sie sich an den Wolf, der zu ihr gesprochen hatte. Sofern sie ihn sich nicht eingebildet hatte - was sie nicht glaubte -, hatte er sie erwartet. Vielleicht hatte jemand, der von ihrer Gefangenschaft erfahren hatte, ihn geschickt, um ihr zu helfen. Jedenfalls konnte es kein gewöhnlicher Wolf gewesen sein. Vielleicht würde sie doch nicht ganz ohne Hilfe dastehen. Ihre Erfolgsaussichten

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