Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
Einmarsch aus Norloch zu beratschlagen. Dass er Maerad und Cadvan führte, erfüllte für ihn einen doppelten Zweck, denn er gedachte unterwegs einige abgeschiedene Dörfer im Landesinneren von Thorold aufzusuchen.
Nerili hatte Maerad und Cadvan geraten, auf der Insel zu bleiben, bis die ausgesandten Barden aus den Sieben Königreichen zurückkehrt waren. Sie rechnete damit, dass es höchstens einen Monat dauern würde. »Dann«, so meinte sie, »solltet ihr Thorold verlassen, und zwar rasch. Sinnvoll erschiene mir, zuerst nach Ileadh zu reisen, dann die Küste entlang nordwärts nach Zmarkan. Annar zu durchqueren ist meines Erachtens zu gefährlich; immerhin werdet ihr mittlerweile von den Mächten des Lichts ebenso gesucht wie von der Finsternis. Ich glaube, allgemein seid ihr am sichersten, wenn ihr in Bewegung bleibt. Aber vorerst sollten euch die Berge eine Weile Schutz bieten.«
Bevor sie aufgebrochen waren, hatte Cadvan lange Stunden in der Bibliothek zugebracht, jedoch immer noch nichts gefunden. Maerad hatte ihren Unterricht fortgesetzt und sich dabei missmutig gefragt, was ihr das bruchstückhafte Wissen bringen würde, sobald sie sich wieder unterwegs und in Gefahr befanden.
Und dann war unweigerlich der Abschied gekommen. Mein ganzes Leben ist ein einziger, langer Abschied, dachte Maerad. Kaum habe ich Freunde gefunden, muss ich wieder weg und werde sie wahrscheinlich nie wieder sehen. Nach einem in der Schule veranstalteten Abendessen zum Umtrunk des Abschiedsbechers hatte Honas, der tatsächlich versucht hatte, sie in der Mittsommernacht zu küssen, sich niedergeschlagen gezeigt. Obwohl Maerad ihn in der Nacht der Feierlichkeiten lachend zurückgewiesen hatte, zerriss ihr der Abschied das Herz. Sie hatte ihn sehr lieb gewonnen, und in der kurzen Zeit, die sie einander gekannt hatten, hatte er ihr beigebracht, wie man das Makilon spielte, ein Instrument, das sie sehr mochte. Ähnlich verlief es mit all ihren neuen Freunden in Thorold - mit Owan, Kabeka, Nerili, Intatha, Oreston und den vielen anderen. Als sie auf ihrem trittsicheren thoroldischen Pferd die felsigen Hänge erklomm, beschlich sie das Gefühl, dass alles, was sie in Busk gefunden hatte -das Vergnügen, der freudige Trotz -, von ihr abfiel und sie sich wieder in ihr übliches verdrießliches Selbst wandelte; als wäre das ausgelassen tanzende Mädchen, das sie kurze Zeit verkörpert hatte, nur ein Traum gewesen, aus dem sie nun wieder erwachte, um in einem finsteren Raum voller unheilverkündender Schatten die Augen aufzuschlagen.
Nach einer Weile neigte sich der Pfad, dem sie folgten, plötzlich steil hinab und führte sie in eines der unerwarteten Täler zwischen den tiefen Geländefalten Thorolds. In diesen Tälern lebten in der Nähe der bitterkalten Gebirgsbäche von Thorold die Seidenhersteller und hüteten gepflegte Gärten mit Maulbeerbäumen, die ihrerseits die Seidenraupen nährten. Laut den Seidenherstellern lag das besondere Geheimnis ihrer Kunst am Wasser Thorolds, das den Farben ihren Glanz und ihre viel beachtete Reinheit verlieh.
Schatten fielen über die Reiter, und der Pflanzenwuchs wurde üppiger, während sie bergab ritten, bis sie durch einen lichtgesprenkelten Tunnel aus Grün reisten. Es war drückend heiß und still, doch in der Ferne versprach ein Gurgeln kühles Wasser. Sie trotteten durch Maulbeerhaine; die Früchte hingen rot und dunkelpurpurn zwischen den grünen Blättern oder lagen auf dem Boden, den sie wie Wein befleckten. Die Luft wurde zunehmend kühler, und der Schweiß trocknete allmählich auf Maerads Haut. Schließlich erreichten sie ein kleines Dorf aus Steingebäuden, die jenen der Schule von Busk ähnelten, nur kleiner waren. Jedes war von Rankengewächsen und blühenden Pflanzen überzogen. Nur eine einzige Straße führte mitten durch die Ortschaft, daneben verlief plätschernd ein Fluss klaren Wassers.
»Das ist Iralion«, verkündete Elenxi. »Und dort ist die Taverne. Ich lasse euch beide hier, während ich Mirak, den Bürgermeister, aufsuche.«
Sie banden die Pferde vor der Taverne neben einem Wassertrog an, dann folgte Maerad Cadvan erleichtert ins kühle Innere. Die Taverne war bevölkert mit Menschen, die sich nach der Arbeit des Tages entspannten, und alle drehten sich nach ihnen um. Herzlich begrüßten sie die Barden, wobei einige offenkundig hofften, es würde Musik geben; doch als die Barden nur Getränke und etwas zu essen bestellten, wandten sie sich wieder ihren Unterhaltungen
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