Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
döste es in der Sommerhitze vor sich hin. Auf den Hängen der Berge scharten sich Haine aus Myrten, Akazien und Olivenbäumen, außerdem Grüppchen wohlriechender Mimosen und Wildrosen. Bienen summten auf den duftenden Wiesen, wo Ziegen- und Schafshirten ihre Herden weideten. Durch den Dunstschleier der Ferne sah Maerad dunkle Wälder aus Kiefern und Tannen, die in höheren Regionen wuchsen, außerdem die mit Schnee gezuckerten Gipfel, die bar jeglicher Bäume darüber aufragten.
Anzusehen war die Landschaft wunderschön, fand Maerad, durch sie zu reiten hingegen war eine ganz andere Sache. Sie trieb ihr Pferd aufwärts, wischte sich über die Stirn und trank einen Schluck aus der Wasserflasche. Maerad trug eine Seidenhose und eine leichte Jacke, und Cadvan hatte ihr einen breitkrempigen Strohhut auf den Kopf gesetzt, um - wie er meinte - zu verhindern, dass die Hitze sie noch verschrobener werden ließ. Dennoch rann ihr der Schweiß in Strömen den Rücken hinab, und sie war überzeugt davon, puterrot im Gesicht zu sein.
Die Aussicht allerdings war atemberaubend. Cadvan, Elenxi und sie hatten sich eine der unzähligen Straßen hinauf gemüht, die sich durch das Landesinnere wanden, die meisten davon kaum mehr als Ziegenpfade. Von ihrem derzeitigen Aufenthaltsort aus konnte sie über die Knie von Thorold bis hinaus aufs Meer sehen, wenngleich die Ortschaft Busk hinter Hügelrücken verborgen lag. Aus weiter Ferne hörte sie das Klimpern von Glocken einer Ziegenherde, die wie eine träge Wolke einen fernen Hang hinabzog. Abgesehen davon waren die einzigen Geräusche das Summen von Bienen und die schrille Musik von Zikaden. Es war Vormittag, also noch nicht der heißeste Teil des Tages, dennoch brannte die Sonne unbarmherzig herab.
»Es ist nicht mehr weit zum Dorf Iralion«, verkündete Elenxi und drehte sich mit gegen die Helligkeit zusammengekniffenen Augen auf dem Pferd herum. »Dort machen wir Rast, bis es kühler wird. Es gibt dort eine berühmte Taverne.« Seine Zähne blitzten zu einem Lächeln auf, das Maerad mühevoll erwiderte. Sie mochte die Hitze nicht - oder höchstens von einem schattigen Balkon aus, wenn sie nichts zu tun und reichlich Zitronenwasser mit Pfefferminzgeschmack neben sich stehen hatte. Elenxi hingegen, der zäh und unbezwingbar wie ein alter Olivenbaum wirkte, schien gänzlich unbeeinträchtigt davon. Seufzend verstaute Maerad die Wasserflasche wieder in ihrem Bündel und trieb ihr Pferd weiter. Eine von Elenxi empfohlene Taverne konnte nur hervorragend sein; und überhaupt, worüber wollte sie sich eigentlich beschweren? Sie hatte weit Schlimmeres durchgemacht. Allerdings haderte sie immer noch mit der Notwendigkeit, Busk zu verlassen.
In der Kühle jenes Morgens waren sie aus der Schule von Busk getrabt. Müde hatte Maerad am Abend zuvor ihre Sachen gepackt, bevor sie sich ein letztes Bad in jenem herrlichen Badezimmer gegönnt und sich dabei gefragt hatte, wann sie dieses Vergnügen das nächste Mal würde genießen können. Sie war ihres Lebens auf der Flucht so überdrüssig.
Die Woche seit dem Mittsommerfest hatte einem verschwommenen Durcheinander geglichen. Nerili hatte recht behalten: Schon am nächsten Morgen hatte sich über ganz Busk verbreitet, dass Cadvan von Lirigon das Ritual der Erneuerung vor einer Katastrophe bewahrt hatte. Obwohl die Barden das Gerücht in die Welt setzten, es wäre jemand anders gewesen, um Verwirrung zu stiften, war es somit nur noch eine Frage der Zeit, bis die Neuigkeiten feindlich gesinnte Ohren erreichten. Maerad und Cadvan hielten sich in der Schule verborgen und hielten ihre Tagesabläufe wie zuvor ein. Wenn sie sich jedoch in die Ortschaft wagten, verkleideten sie sich. Maerad fühlte sich wieder verfolgt, eine Empfindung, die in den letzten paar Wochen in Busk völlig verschwunden war, und mit der Rückkehr dieses Gefühls setzten wieder ihre Albträume ein, in denen Untote aus der Finsternis knochige Hände nach ihr ausstreckten.
Die Gesandtschaft aus Norloch war aus Gant zurückgekehrt und hatte die vom Rat beschlossene Antwort erhalten. Berichten zufolge war Igan alles andere als erfreut gewesen und frostig nach Norloch aufgebrochen; Nerili erwartete binnen eines Monats eine Erwiderung. Barden aus Thorold waren im Geheimen zu allen Schulen der Sieben Königreiche entsandt worden, und Elenxi war damit beschäftigt gewesen, über die Insel zu reisen und sich mit den Bürgermeistern der Dörfer über möglichen Widerstand gegen einen
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