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Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Getreide oder Wein. Auf dem Rückweg beförderte es Käse, Honigwaben oder einen eigens bestellten Heiltrank.
    Alles zeugte von einem Leben voll harter Arbeit, und tatsächlich war Ankil vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung beschäftigt. Abends saß er mit ihnen in der duftenden Küche oder, wenn es nicht zu kalt war, draußen auf der Veranda; sie erzählten allerlei Geschichten und sangen zahlreiche Lieder, ließen ihre Musik über die Berge von Thorold hallen.
    Maerad und Cadvan hatten einen eigenen Tagesablauf, wenngleich sie Ankil bei seinen Arbeiten zur Hand gingen, wann immer sie konnten. Cadvan widmete sich verstärkt Maerads Unterricht in praktischer und theoretischer Hoher Magie, und obwohl sie nicht viele Bücher bei sich hatten, lernte sie weiter die LadhenRunen und die Nelsor-Schriftzeichen. Nachmittags, wenn sie sich geistig erschöpft fühlte, empfand sie es als Erleichterung, Schwertkunst und unbewaffneten Kampf zu üben. Außerdem erwies es sich als unterhaltsam für die Ziegen, die nach ein paar Tagen begannen, sich mit allzeit kauenden Mäulern in einem Kreis um sie zu scharen, die Hiebe mit neugierigen Mienen zu beobachten und gleichermaßen erschrocken und vergnügt auseinanderzustieben, wenn die Übungskämpfe gar zu heftig wurden. Eine der Ziegen, ein mächtiger Bock, gab dabei ständig derbe Bemerkungen von sich. Bisweilen gebarte er sich so widerlich, dass Maerad absichtlich einen losen Hieb in seine Richtung schwenkte; danach scheuchte er, in seiner Würde gekränkt, weil er zurückweichen musste, stets die anderen Ziegen, sodass sie aufgeregt auseinandersprangen.
    Maerad fand in diesem schlichten Leben eine Beschaulichkeit, die sich gänzlich von der schillernden Betriebsamkeit Busks unterschied, und allmählich gingen ihre Albträume zurück. Je länger sie bei Ankil weilte, desto tiefer drang die Friedlichkeit der Berge in sie ein. Manchmal, wenn sie die Arbeit des Tages vollbracht hatte und Cadvan mit Ankil unterwegs war, um ihm mit den Ziegen oder im Garten zu helfen, erklomm sie eine kleine Weide in der Nähe, setzte sich dort einfach hin und ließ sich langsam von der tiefen Stille, einem allmählichen Anschwellen des Lichts erfüllen. Von jener Weide aus konnte sie den gesamten Süden der Insel Thorold bis hinab zum Meer überblicken, das in blauen Nebeln in der Ferne verschwand. Bei solchen Gelegenheiten schien alles, was sie bekümmerte, weit weg und unwichtig. Da waren nur das Summen der Bienen, das Zwitschern der Vögel, das Schimmern der Sonne auf den Blüten einer blauen Wildblume, das entfernte Blöken und Klimpern grasender Ziegen.
    In solchen Augenblicken dachte sie für gewöhnlich an gar nichts. Wenn sie jedoch über etwas nachgrübelte, kreisten ihre Gedanken häufig um Hem. Lebhaft tauchte er vor ihrem geistigen Auge auf, mit seinen schlaksigen, dennoch überraschend anmutigen Gliedern, seinem dunklen, gezeichneten Gesicht mit dem verschmitzten Lächeln und den strahlend blauen Augen, die den einzigen Hinweis darauf bildeten, dass er ihr Bruder war. Sie erinnerte sich an jenen schrecklichen Tag, an dem Cadvan und sie ihn fanden, stinkend nach Harn und Entsetzen, versteckt in einem Pilanel-Wagen. Noch immer träumte Maerad bisweilen von den gemeuchelten Leichnamen der Familie, die Hem bei sich aufgenommen hatte. Damals hatte Maerad zum ersten Mal das wahre Ausmaß des Grauens begriffen, das von den Untoten ausging - den »Schwarzen Barden«, wie Hem sie nannte. Dabei hatte sich ihr der Blick auf eine grässliche Leere offenbart, die sie erschreckte. Untote weiden sich am Leid anderer, hatte Cadvan damals zu ihr gesagt. Es spricht etwas an, das in ihnen selbst fehlt… Manchmal hatte Maerad das Gefühl, dass in ihr selbst so vieles fehlte. Das ängstigte sie. Hem hatte eine Leere in ihr gefüllt, die ihr bis dahin nicht bewusst gewesen war. Sie lächelte, als sie daran dachte, wie er sich geweigert hatte, sich Cai zu nennen. So lautete sein Geburtsname, doch er beharrte darauf, Hem zu sein. Aber sie überlegte auch, was hinter dieser Weigerung stand, was er damit zu verleugnen trachtete. Anfangs hatte sie vermeint, es läge daran, dass Hem sein Bardenerbe Unbehagen verursachte, doch vermutlich war es etwas anderes. Schließlich war Hem kein annarischer Name; er stammte von jenem Wandervolk aus Zmarkan. Vielleicht klammerte Hem sich, ohne es zu wissen, an die ferne Erinnerung an ihren Pilanel-Vater. Ihr Bruder besaß etwas Unwiderstehliches, einen Funken, den selbst

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