Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
man müsste in allem gut sein, ist eine Torheit. Aber Übung schafft für gewöhnlich Abhilfe.« Er gähnte. »Die Suppe hat mich jetzt richtig müde gemacht - die Arbeit da draußen ist ganz schön schwer.«
»Wird es die ganze Nacht so bleiben?«
»Mein Gefühl verrät mir, dass es noch schlimmer wird; ich glaube, uns steht ein Sturm bevor.«
Beinah hätte Maerad hervorgeplatzt: >Soll das heißen, das ist noch kein Sturm?<, doch sie hielt sich rechtzeitig zurück.
»Eigentlich ist das nicht die Jahreszeit für Stürme«, fügte Owan hinzu. »Aber wir leben in seltsamen Zeiten. Hab keine Angst, Maerad. Die Eule hat mich schon durch zahlreiche Unwetter getragen. Sie ist ein wunderbares Boot, und darüber hinaus wird sie von den stärksten Zaubern zusammengehalten, die zu schmieden Barden in der Lage sind. Trotz des schlechten Wetters sollten wir bis übermorgen Früh in Gant einlaufen.«
Maerad fühlte sich ein wenig zuversichtlicher. Die Weiße Eule ächzte und knarrte in der Dünung, und die Geräusche hatten begonnen sie zu beunruhigen. »Du solltest dich auch schlafen legen«, schlug Owan vor und gab ihr damit zugleich einen zarten Wink, dass die Kabine seine Schlafstätte war. »Ich räume auf, du gehst nach unten.«
Maerad öffnete die Kabinentür. Sie schwang krachend auf, und ein gischtbeladener Windstoß versetzte die Lampe in wilde Schwingungen, bevor sie die Tür zudrücken konnte. Schwer atmend stand sie an Deck. Der Wind heulte und ließ das Segel heftig klatschen. Cadvan befand sich kaum drei Schritte entfernt in einer Pfütze magischen Lichts, doch er war eindeutig beschäftigt, weshalb Maerad ihm nichts zurief, sondern stattdessen unstet zum Niedergang wankte. Die Luke darüber war geschlossen, und sie musste einen weiteren Kampf bewältigen, um sie zu öffnen, die Stufen hinabzuklettern und sie über ihr wieder zuzuziehen. Dabei ergoss sich ein kalter Wasserschwall über ihren Rücken, und das Tosen des Windes und der Wellen wurde jäh leiser; dafür war das Knarren des Bootes unter Deck wesentlich lauter als in der Kabine. Sie besann sich Owans Worte über die Weiße Eule und streichelte fast abergläubisch über die Holzbohlen. Dabei fühlte sie das Boot beinahe wie ein lebendiges Wesen zittern. Danach genehmigte sie sich eine weitere Prise der Arznei gegen Seekrankheit und brachte ihre Hängematte an. Es war eiskalt, und ihre klammen Hände stellten sich linkisch an. Es hilft alles nichts, dachte sie, ich habe Angst. Was sollen wir tun, wenn das Boot sinkt ? Wer wird es wissen ? Ich könnte nicht zurück nach Thorold schwimmen. Und was, wenn ein Ondril auftaucht ? Wir sind ganz alleine hier draußen, und niemand kann uns helfen. Sie verdrängte ihre düsteren Gedanken, holte zwei Decken hervor und wickelte sich darin ein. Es war zu kalt, um sich zu entkleiden, also hievte sie sich einfach in die Hängematte, rollte sich so klein zusammen, wie es ging, und rieb sich die Hände, um sich ein wenig zu wärmen. Die Hängematte schaukelte hin und her, und ihr Magen zog sich zusammen. Vielleicht hilft der Baldrian auch gegen meine Seekrankheit, dachte sie, als ihr endlich ein wenig wärmer wurde. Sie lächelte bei der Erinnerung an Owans gelassene Höflichkeit angesichts des Geschmacks ihrer Suppe. Trotz der Bewegungen der Hängematte und des Lärms, von dem sie dachte, er würde sie die ganze Nacht wach halten, döste Maerad binnen weniger Augenblicke ein.
Jäh erwachte sie und hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte. Es war stockdunkel, und als sie sich erschrocken aufsetzte, schlug sie sich den Kopf an der Decke an. Etwas hatte sie geweckt, doch in den ersten wachen Augenblicken vermochte sie nicht zu sagen, was es gewesen war. Dann wurde es ihr klar: Völlige Stille war eingekehrt. Der Sturm muss sich verzogen haben, dachte sie; dennoch hämmerte ihr Herz furchtsam, und sie legte sich nicht wieder hin. Stattdessen entfachte sie ein in der Nähe ihres Ohres schwebendes magisches Licht und sah sich in der kleinen Kabine unter Deck um. Alles schien zu sein, wie es sein sollte, trotzdem breitete sich durch ihren Körper eine wachsende Anspannung aus. Sie spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten. Ihr Atem bildete Wölkchen vor ihrem Gesicht; selbst unter Deck war es bitterkalt. Maerad schwang sich aus der Hängematte, schlüpfte in ihre Stiefel und ergriff eine von Owans Öljacken, die neben dem Tisch hingen. Sie musste an Deck, um nachzusehen, was vor sich ging.
Als sie die
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