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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Tor.«
    Zelika hatte die Augenbrauen zu einer dunklen Linie zusammengezogen. »Wir träumen von einem Tor?«, wiederholte sie abschätzig. »Das ist doch Unsinn.«
    »Nichtsdestotrotz ist es das, was jeder von uns tun muss. Träumt von einem Tor. Vorzugsweise von einem Tor, das ihr liebt.«
    Zelika sog plötzlich scharf die Luft ein, als hätte etwas sie verletzt. Saliman sah sie an. »Ich warne euch alle; Wir müssen jetzt vorsichtig sein. Hier kann uns nur das etwas anhaben, was wir selbst über uns bringen. Achtet also darauf, was ihr träumt. Nun denn.« Saliman schloss die Augen. »Ich erinnere mich noch daran, dass ich, als ich ein kleiner Junge war, so wie du, Hem, süßes Obst geliebt habe. Manchmal durfte ich meine Großmutter besuchen und bei ihr wohnen. Sie lebte in einem Haus etwa zwanzig Wegstunden von Turbansk entfernt jenseits der Jiela-Hügel. Es war ein kleines, weißes Haus, umgeben von einer geweißelten Steinmauer und Obstgärten mit Mandel- und Kirschbäumen und einem großen Hain von Dattelpalmen.
    Meine Großmutter war eine berühmte Gärtnerin. In ihrem persönlichen Garten züchtete sie zahlreiche aromatische Pflanzen für die Kräuterkundler und Duftwasserhersteller. Weihrauchbäume mit seltsam fleischigen Ästen und duftendem Harz; Galban, Narde und Kampfer. Um die Bäume wuchsen Narzissen, Geranien und Rosen. Mein größtes Vergnügen bestand darin, jenen wohl riechenden Garten zu betreten, um die weißen Tränen des Galbanharzes einzusammeln oder mich auf die Kacheln am Teich zu legen, die Augen zu schließen und die Gerüche über mich hinwegtreiben zu lassen.« Salimans warme Stimme hallte durch den Steingang, und die anderen lauschten verzaubert von dem lieblichen Bild, das er damit heraufbeschwor. Hem sah das Haus und den Garten so lebendig vor seinem inneren Auge, als befänden sie sich unmittelbar vor ihm.
    »Das Tor zu jenem Garten war aus schwarzem Eisen geschmiedet«, fuhr Saliman fort. »Seine Form fügte sich nahtlos in den Bogen, und durch das Gitter konnte man die Bäume und Blumen sehen, und die Brise wehte die zarten Düfte hindurch. Das Eisen erinnerte an sechsblättrige, kunstfertig ineinander greifende Blumen, und das Tor war nie verriegelt. Stieß man es mit der Hand an, ächzte es leise und schwang auf. Und dann trat man hindurch in den Garten meiner Großmutter.«
    Kurze Stille trat ein. Saliman hob den Kopf und spähte zum Ende des Ganges. Einen Lidschlag lang vermeinte Hem, dass dort eine weiße Wand und ein schmiedeeisernes Tor schimmerten, durch das man Sonnenlicht und grüne Blätter sehen konnte, die sich in kahlem Stein verliefen.
    »Soron, du gehst als Letzter und führst diese Kinder«, sagte Saliman. »Vergesst nicht, was ich gesagt habe: Jeder von uns muss sich sein eigenes Tor schaffen.« Damit schritt er zum Ende des Ganges und schien geradewegs durch die blanke Wand zu verschwinden.
    Hem blinzelte, und Zelika sog scharf die Luft ein. Soron sah die Kinder an. Während ihres langen Marsches durch die Höhlen hatte er kaum ein Wort gesprochen, und nun beschlich Hem der Eindruck, dass er sich verändert hatte. In seiner Stimme schwang eine Verbitterung mit, die der Junge zuvor nicht darin gehört hatte.
    »Zelika, Hem: Saliman hat euch gezeigt, wie es geht. Nun müsst ihr es tun.« »Aber ich bin kein Barde wie Ihr«, warf Zelika mit zittriger Stimme ein. »Ich kann keine Magie wirken.«
    »Die Magie kommt nicht von dir, sondern von diesem Ort«, entgegnete Soron. »Kommt, habt Vertrauen. Es gibt keinen anderen Weg.«
    Eine kurze Pause entstand, und Hem hörte, wie Zelika schluckte.
    »Muss ich laut sprechen, wie Saliman es getan hat?«, fragte sie schließlich.
    »Nein«, antwortete Soron. »Du musst es nur in deinem Geist sehen. Die Wände werden es hören und sich dementsprechend formen. Also, Zelika: Du versuchst es zuerst.« Sie schloss die Augen und bündelte alle Gedanken. Nach langer Stille öffnete sie die Lider.
    »Es klappt nicht«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich habe es Euch ja gesagt.« »Zelika«, erwiderte Soron geduldig, »es gibt keinen anderen Weg. Denk an ein Tor. Denk daran, wie es sich anfühlt. Wie es ist, es zu öffnen. Daran, was dahinter liegt.« Zelika starrte Soron an. Ihr Mund bildete eine verkniffene Linie. Dann schloss sie erneut die Augen.
    Diesmal tauchte ein Schimmer am Ende des Ganges auf, und Hem erblickte flüchtig einen goldenen Lichtschein und einen Hauch von waberndem Grün und Weiß, was ihn an einen blühenden

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