Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
setzt; und diese Wahl könnte schwieriger sein, als es den Anschein haben mag.«
»Was soll das heißen?«, fragte Hem, den der plötzliche Richtungswechsel verwirrte. »Es könnte darauf hinauslaufen, ob man die Waffen der Finsternis einsetzen soll, um die Finsternis zu schlagen, oder ob es besser ist, besiegt zu werden, mit allem, was damit einhergeht.«
»Deine Rätsel sind bedeutungslos, mein Freund«, knurrte Hared. »Das ist das Problem mit den meisten Barden. Es ist einfach, über falsch oder richtig zu reden, während unser Haus um uns herum einstürzt. Ich denke nicht so.«
»Das weiß ich, Hared«, erwiderte Saliman leise. »Unsere Lage ist in der Tat verzweifelt. Das ist mir genauso klar wie dir. Aber wie können wir behaupten, für das Licht zu kämpfen, wenn wir uns selbst nicht besser gebaren als die Finsternis?« Hared presste die Lippen zu einer dünnen, unversöhnlichen Linie zusammen, und ein Ausdruck tiefster Beleidigung zuckte über sein Gesicht. In der darauf folgenden Stille schaute Hem von Barde zu Barde und erschrak plötzlich. Einen Lidschlag lang fragte er sich angesichts der zwischen den beiden Männern knisternden Spannung, ob Messer gezogen werden würden. Offenbar hatten sie Streit, doch er hatte keine Ahnung, worum es ging. Vielleicht hatten sie früher, bevor er den Raum betreten hatte, über eine Taktik gesprochen, die Saliman aus tiefster Seele ablehnte.
Dann lachte Hared, und der Augenblick verflog, als hätte es ihn nie gegeben. »Du stellst schwierige Fragen«, sagte er. »Ich vermute, das ist deine besondere Gabe. Ich achte dich dafür, Saliman. Aber ich sage dir, es gibt Zeiten, in denen wir keine Wahl haben und tun müssen, was getan werden muss.«
Saliman lächelte, jedoch mit einer unterschwelligen Verkniffenheit. »Es gibt immer eine Wahl, mein Freund«, erwiderte er verheißungsvoll. »Es gibt immer eine Wahl.«
Die Himmellose Stadt
Es dauerte eine Weile, bis Hem wieder frische Luft atmen konnte. Mittlerweile schien das Leben unter der Erde fast normal; sogar Irc hatte zu seiner üblichen Unbekümmertheit zurückgefunden und bei den Barden in Nal-Ak-Burat allgemeine Beliebtheit erlangt, obwohl sehr bald seine schlechte Angewohnheit wieder eingesetzt hatte, glänzende Gegenstände zu stehlen.
Binnen eines Tages hatte Hem jeden der kleinen Gemeinschaft kennen gelernt, die sich in der unterirdischen Stadt eingefunden hatte. Sie umfasste sechzehn Barden sowie die sechs kleinen Kinder, die man, wie Zelika gesagt hatte, dort behielt, weil sie sonst nirgendwohin konnten. Vorwiegend kümmerte sich eine Bardin namens Nimikera aus Jerr-Niken um die Kinder, eine schweigsame Frau, die unlängst verwundet worden war; an ihrem Hals war der obere Rand einer grässlichen, kaum verheilten Narbe zu erkennen, die in Richtung ihrer Brust hinab verlief, zudem hinkte sie schlimm. Die Barden in Nal-Ak-Burat bildeten nur einen kleinen Teil eines Netzwerks, das hinter den Linien der Schwarzen Armee arbeitete; die meisten versteckten sich in den honigwabenartigen Höhlen, die sich unter Savitir und Nazar erstreckten. Saliman erzählte Hem, dass ihre wahre Zahl geheim gehalten wurde; nur die Anführer - die fünf Barden, die sie bei ihrer ersten Begegnung kennen gelernt hatten - wussten um das wahre Ausmaß des Widerstands. Dies diente zum Schutz des Netzwerks für den Fall, dass Mitglieder des Widerstands von Imanks Streitkräften gefangen genommen würden.
»Es ist durchaus möglich, dass Untote sie gegen ihren Willen einem Seelenblick unterziehen und alles herausfinden würden, was sie wissen«, erklärte Saliman. »Es ist also ratsam, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, damit wir nicht beide verlieren.«
Hem selbst war während seines Aufenthalts in Norloch einem Seelenblick unterzogen worden, allerdings hatte er dabei freiwillig seinen Geist dem eines anderen Barden geöffnet. Die Vorstellung eines solchen Eingriffs ohne Erlaubnis ließ ihn unwillkürlich schaudern. »Aber was, wenn Hared oder jemand seines Ranges gefangen würde?«, fragte er. »Würde dann nicht dasselbe geschehen?«
»Erinnerst du dich daran, dass Dernhil sich lieber selbstgetötet hat, als einen Blick in seine Seele zuzulassen und Maerad zu verraten?«, erwiderte Saliman. »Das ist die letzte Verteidigung. Hared und jeder andere Barde würden genau dasselbe tun, gerieten sie in Gefangenschaft. Trotzdem ist es einfacher, ein Geheimnis zu wahren, wenn man es gar nicht erst kennt.«
Hared hatte
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