Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
verfinstert sich. Unser Kampf gegen das, was uns gegenübersteht, ist ein Wandeln am Rand der Verzweiflung. Aber den Mut sinken zu lassen und sich dem Namenlosen zu unterwerfen ist undenkbar; wir müssen kämpfen, selbst wenn wir wissen, dass es keine Hoffnung für uns gibt. Und wir müssen uns daran erinnern, dass wir nicht alleine sind.«
Bedrückendes Schweigen senkte sich über den Tisch. Schließlich rührte sich Hared und schaute zu Saliman.
»Sag, Saliman: Was ist mit deinen eigenen Plänen? Wer sind diese Kinder, die du mitgebracht hast? Hast du vor, bei uns zu bleiben und uns bei unserem Unterfangen zu helfen, oder sind andere Dinge im Gange, von denen wir nichts wissen.« Saliman grinste Hared an. »Du beweist wie immer ein feines Gespür, Hared«, stellteer fest.
»Andernfalls wäre ich längst tot«, gab der andere Barde zurück und musterte Saliman mit verkniffenem Blick.
»Du hast Recht. Meine Antwort auf deine erste Frage lautet sowohl ja als auch nein. Ich denke, wir müssen das Ausmaß der gegen Annar versammelten Truppenstärke auskundschaften und die Erkenntnis in den Norden tragen. Außerdem sind da noch jene Pläne, über die wir vor einem Monat gesprochen haben und die ich mit dir durchgehen möchte. Nachdem diese Pflichten erfüllt sind, habe ich vor, nach Annar zu reisen.«
»Um Maerad zu finden«, mischte Hem sich ins Gespräch.
»Maerad?«, fragte Hared.
»Meine Schwester.«
»Du meinst Maerad von Pellinor?«
Hem nickte, und Hared musterte ihn zum ersten Mal richtig.
»Sie ist deine Schwester? Ja, ich habe von Maerad von Pellinor gehört und weiß, dass manche sagen, die vom Schicksal Ausersehene sei gefunden. Um ehrlich zu sein, lege ich kein großes Vertrauen in Prophezeiungen. Und es dünkt mich unwahrscheinlich, dass ein junges Mädchen die in Liedern und Legenden vorhergesagte Heldin sein könnte.«
»Trotzdem ist sie es«, entgegnete Hem mit vorgeschobener Unterlippe. »Ob Ihr es glaubt oder nicht, sie wird den Namenlosen bei seinem finstersten Aufstieg zu Fall bringen.« Er war zu dem Schluss gelangt, dass er Hared nicht mochte. »Jedenfalls«, eroberte Saliman das Wort zurück und warf Hem einen warnenden Blick zu, »werden wir nach Norden reisen.«
Hem erwachte und streckte sich genüsslich. Einen Augenblick lang glaubte er, sich in Turbansk zu befinden. Er lag auf einem mit Binsen und süß duftenden Kräutern gefüllten Strohsack unter einer warmen Decke. Tagelang hatte er auf Stein und nur mit einem Bündel als Kissen geschlafen. Diese neue Behaglichkeit empfand er als schier unglaublich. Dann jedoch durchlief ihn ein Ruck, als er sich daran erinnerte, dass er in Nal-Ak-Burat war.
Er setzte sich auf und sah sich um. Irc, der sich an Hem geschmiegt gehabt hatte, gab verschlafen einen leisen Klagelaut darüber von sich, dass er gestört worden war. Hem befand sich in einer winzigen Kammer, kaum größer als der Strohsack, auf dem er lag, mit einem niedrigen Eingang, vor dem schwerer gewobener Stoff hing. Licht drang herein, und er hörte von draußen ein leises Stimmengewirr. Waren das Kinderstimmen? Hem schüttelte den Kopf. Er wusste, dass er sich unter der Erde in einer Stadt aus Stein aufhielt; hier konnte es keine Kinder geben … Ein leiser Knall ertönte, als hätte jemand etwas auf den Boden fallen lassen, dann begann jemand zu weinen.
Von Neugier beseelt zog Hem das Tuch vor dem Eingang beiseite und spähte in den Raum nebenan, der sich als recht große Kammer erwies, von der etwa ein Dutzend dieser winzigen Schlafzimmer abzweigten. Er hatte tatsächlich Kinder gehört, mindestens ein halbes Dutzend. Keines sah älter als fünf Jahre aus, und einige hatten Verbände; eines am Kopf, ein Knabe an beiden Armen. Sie spielten mit geschnitzten Holzblöcken. Das Weinen, das Hem gehört hatte, war nach einem Streit um einen besonders begehrten Baustein ausgebrochen.
Zelika saß am Tisch und beobachtete sie. Auf dem Schoß hatte sie ein weiteres Kind, kaum mehr als einen Säugling. Als sie Hem bemerkte, schaute sie auf und lächelte. »Was tun die denn hier?«, fragte er verwundert.
»Sie wurden alle gerettet, als die Schwarze Armee Savitir überrannte«, gab sie zurück und sprach dabei Annaren, damit die Kinder sie nicht verstanden. »Wahrscheinlich wurden ihre Eltern getötet. Weil sie sonst nirgendwohin konnten, hat Irisanu sie hierher gebracht, wo sie wenigstens in Sicherheit sind.«
»Und wer lebt sonst noch an diesem finsteren Ort?« Hem trat aus seiner
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