Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
führten; nur wenige derer, die sich dorthin wagten, kehrten zurück. Doch allein das Betreten der Ebenen barg große Gefahr. Die Kampfer sagten, dass die Ebenen mit Verstümmelern -jenen nebelartigen Wesen, die Zelika in Turbansk gesehen hatte - und Schlimmerem verseucht wären: Es kursierten Gerüchte über Unholde, die Gruppen von Untoten und Werwesenanführten, und über Schwärme von Totenkrähen, die regelmäßig den Himmel abflogen. Während Hem lauschte, fragte er sich unwillkürlich, wie sie es in der Nacht zuvor ohne Zwischenfall so weit geschafft hatten. Es wurde viel über anhaltende, von Hundsoldaten durchgeführte Angriffe gegen die Höhlennetzwerke geredet. Eine Frau, eine dunkle, drahtige Kriegerin mit einer Narbe über der Nase, schätzte, dass von der Finsternis mindestens zehn ihrer Zufluchten entdeckt und vernichtet und viele Kämpfer hingemetzelt oder gefangen genommen worden waren. »Verrat«, sagte sie und bedachte Hem und Zelika mit einem verkniffenen Blick. »Es gibt Spitzel in unserer Mitte.«
Hem fühlte sich sofort verunsichert, aber ein Mann in der Nähe lachte nur. »Die brauchst du nicht zu verdächtigen«, meinte er. »Hared entgeht nichts. Wenn jemand ein Seelenleser ist, dann er. Außerdem übersiehst du dabei die Feinheiten der schwarzen Hexerei, die sie gegen uns einsetzen.«
»Mag sein«, räumte die Frau ein. »Dennoch wittere ich Verrat. Jemand weiß, wie man unsere Tarnzauber durchbricht. Jemand weiß eine ganze Menge über unsere Angelegenheiten … «
»Aber nicht alles«, fiel der Mann ihr ins Wort. »Sonst wären wir alle längst tot.« Die Frau zog die Nase hoch. »Ich vermute, so wie die Dinge sich entwickeln, werden wir das schon bald sein.«
Am nächsten Tag brachen sie spätabends auf. Nachdem sie etwa eine Wegstunde weit die vergleichsweise Sicherheit der Schlucht entlang geschlichen waren - die dennoch gelegentlich von Hexerei zernarbt war, die Bäume ihrer Blätter beraubte und die Pflanzen unter ihnen vergiftete -, erklommen sie den Hang und zogen vorsichtig in südlicher Richtung über die Ebenen. Der Himmel war bedeckt, und bald setzte ein steter Regen ein. Es herrschte fast völlige Dunkelheit, was Hared wesentlich glücklicher machte. Geräuschlos bewegten sie sich durch das Gras, Schatten, die von Baum zu Baum huschten, trotzdem fühlten sie sich so unübersehbar wie schwarze Male auf einem weißen Blatt. Der Boden selbst schien ihr Vorbeiziehen wahrzunehmen, ein Gefühl, das sich verstärkte, je näher sie Den Raven kamen. Unterwegs woben die Barden Tarnzauber, um feindselige Augen zu täuschen oder abzulenken, außerdem Schlafbanne, um das Bewusstsein etwaiger Beobachter einzulullen, und sie entsandten die eigenen Sinne so weit um sich, wie sie konnten, allzeit auf Anzeichen von Hexerei achtend.
Hared beunruhigte ihre Zahl - ungeachtet all der Zauber waren fünf Menschen viel einfacher aufzuspüren und schwieriger zu verbergen als ein einzelner Mensch. Obendrein musste er ein Gleichgewicht zwischen Schnelligkeit und gleichermaßen nötiger Vorsicht wahren. In der Ferne zeichneten sich die Feuer der Wachlager trüb und bedrohlich rot ab. Hared umging sie so weiträumig wie möglich. Wie Hem auffiel, hatte er Übung darin, sich auf diesem Gelände fortzubewegen, und er fand selbst in diesem flachen Land Vertiefungen und geschützte Orte, wo die Aussichten besser standen, unbemerkt voranzukommen. Sie kamen an mehreren niedergebrannten Dörfern vorbei, gingen jedoch nicht hindurch, wofür Hem dankbar war; selbst aus der Ferne konnte er den Tod riechen, der in die Ortschaften Einzug gehalten hatte.
Die ständige Anspannung gestaltete die Reise erschöpfend. Kalter Schweiß bedeckte Hems Haut, weshalb er selbst unter all den Kleidungsschichten fröstelte, die er trug. Nach der Unterhaltung vom Vortag war er unruhiger als bei ihrer ersten Wanderung durch feindliches Gebiet. Aber auch etwas anderes bereitete ihm Sorgen: Seit seiner seltsamen Begegnung mit dem Elidhu in Nal-Ak-Burat fühlte es sich so an, als hätte sich ein weiterer Sinn in seinem Geist geöffnet. Er vermochte nicht, es zu benennen - es war ein Bewusstsein, das seinen gesamten Körper durchlief, als wäre er in Einklang mit der Erde selbst, als wäre er ein Teil von ihr oder sie von ihm.
Er spürte, dass die Erde vor Gewalt brannte, als wäre sie vergiftet; die wachsende Empfindung von Unrecht drang von unten durch seine Fußsohlen und verursachte ihm ständige, leichte Übelkeit. Besonders
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