Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
stark äußerte sich dies, wo Pflanzen getötet worden waren - in der Schlucht hatte er mehrmals würgen müssen, als sie sich einen Weg zwischen den skelettartigen Bäumen hindurchgebahnt halten -, doch ganz verschwand es nie.
Je weiter sie gingen, desto mehr beunruhigte ihn die allgegenwärtige Stille ringsum. Selbst die Tiere schienen dieses verlassene Land aufgegeben zu haben. Irc unternahm kurze Ausflüge von seiner Schulter, und wenn er zurückkam, flüsterte er davon, waser gesehen oder gehört hatte. Der Vogel erzählte von seltsamen Dingen, die Hem nicht verstand - von Wolken, die Blut weinten, und von einer Angst oder einem Schatten, von etwas, das selbst die Vögel vertrieb.
Später in jener Nacht erreichten sie eine weitere unterirdische Zuflucht, viel kleiner als die letzte. Darin weilte ein Mann mit entsetzlichen Verbrennungen. Trotz ihrer Erschöpfung, die tiefer saß, als ihre Wanderung erklären konnte, taten Hem und Saliman,was in ihrer Macht stand, um seine Qualen zu lindern; doch sie erkannten beide auf Anhieb, dass für ihn keine Hoffnung bestand. Er war in das flüssige Feuer der Hundsoldaten geraten, und ein Großteil seiner Haut war verbrannt. Er starb in jener Nacht.
Seine Gefährtin, eine zierliche Frau aus Baladh mit erstaunlich grauen, von Kummer getrübten Augen, verriet ihnen seinen Geburtsnamen, während sie seine Lider schloss. »Er hieß Lanik«, sagte sie. »Und er war ein guter Mann.«
Hem wiederholte den Namen und neigte das Haupt, wobei er die Vergeblichkeit der Geste deutlich spürte. Er war nicht in der Lage gewesen, Lanik zu retten; alles, was er für ihn tun konnte, war, seinen Namen zu wiederholen, obwohl er nicht wusste, wozues gut sein sollte. Aber was konnte er sonst tun?
Die Frau dankte ihnen für ihre Hilfe und bot ihnen an, ihren kargen Proviant mit ihnen zu teilen. Abzulehnen hätte sie beleidigt, also taten sie es nicht; aber die Reisenden holten auch ihre eigenen Vorräte hervor, um zu gewährleisten, dass sie nicht ohne etwas zurückblieb. Durch ihren zittrigen Dank fühlte Hem sich umso schlimmer; ihm wäre lieber gewesen, sie hätte sie angebrüllt, weil sie dabei versagt hatten, ihren Freund zu retten.
Immer weiter reisten sie, stets bei Nacht und indem sie von Zuflucht zu Zuflucht eilten, bis Hem sich zu fragenbegann, ob er je wieder Tageslicht sehen würde. Hareds Geschick hielt sie vor den Wachen der Schwarzen Armee verborgen, wenngleich es einige Male knapp war. Einmal stolperten sie beinah über einen hinterhältig versteckten Alarm, und nur Sorons Geistesgegenwärtigkeitbewahrte sie vor der Entdeckung, indem er rasch einen Gegenbann wob. Ein anderes Mal rette sie ein plötzlich einsetzender Regenschauer vor dem tödlichen Nebel eines Verstümmelers, der ohne Vorwarnung aus dem Grasland auftauchte.
So reisten sie mehrere Nächte durch zunehmend schlechteres Wetter, ehe sie ein Versteck erreichten, das Hared mit verkniffener Belustigung als die >Grube< bezeichnete. Mittlerweile näherten sie sich dem Rand von Nazar und konnten in der Ferne die grauen Hügel von Glandugir an der Grenze zu Den Raven erkennen. Die zwei Tagesmärsche von den Hügeln entfernte Grube stellte die Den Raven nächstgelegene, noch unentdeckte Zuflucht dar; fünf weitere, die sich dem Reich näher befunden hatten, waren angegriffen und zerstört worden.
Die Grube wurde ihrem Namen vollauf gerecht. Die Schluchten, in denen sich die meisten Bardenhöhlen verbargen, verloren sich gen Den Raven hin, und die Grube war kaum mehr als ein steingesäumtes, in den Boden gegrabenes Loch, geschützt von einem verschlungenen Geflecht aus Tarnzaubern und einem Trugschloss, das sich nur von einem Barden öffnen ließ, der sowohl den nötigen Bann kannte, als auch einen eisernen Schlüssel besaß. Hared schien lange dafür zu brauchen, die Zuflucht zu finden und zu öffnen, während die anderen zitternd im Regen standen und furchtsam Wache hielten. Die Grube entpuppte sich als der grimmigste Ort, den Hem je kennen gelernt hatte: Ihr mangelte es selbst an der schlichten Behaglichkeit der vorherigen Zufluchten. Es roch darin nach schaler Luft, Schimmel und Feuchtigkeit, und es herrschte Grabeskälte. Sie fanden die Zuflucht verlassen vor: Niemand verweilte darin lange, ohne dazu gezwungen zu sein. Das einzig Gute daran, dachte Hem verdrossen, waren die großzügigen Vorräte, die etwa die Hälfte des Platzes einnahmen. Allerdings gab es keine Vorrichtung zum Kochen - eine Feuerstelle war hier
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