Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
verboten. Fröstelnd, elend und müde zog Hem eine schimmlige Strohpritsche hervor, setzte sich und warf sich dünne Decken aus dem Lager über die Schultern.
Am folgenden Tag sollte die Gruppe sich teilen. Saliman und Soron hatten vor, sich nach Norden zu einem Unterfangen zu begeben, über das Saliman nicht reden wollte, aber Hem vermutete, dass es sie nach Den Raven führen würde. Insgeheim hatte Hem gedacht, dass Soron, der Barde, dessen Herz der Kunst der Essenszubereitung gehörte, zu sanftmütig für eine solche Mission wäre; allerdings hatten ihn die vergangenen Nächte von jenem vorschnellen Urteil abgebracht. In Soron schlummerten Tiefen und Stärken, die Hem nicht vermutet hätte, und mittlerweile verstand er, warum Saliman ihn zu seinem Gefährten auserkoren hatte.
Soron lächelte ihn müde über den beengten Raum hinweg an, und Hem bemühte sich, die Geste zu erwidern.
»Nicht ganz Nal-Ak-Burat, was, Hem?«, meinte der Barde. »Die Belüftung lässt einiges zu wünschen übrig.«
»Die Heizung auch«, ergänzte Hem sehnsüchtig. Soron griff in sein Bündel. »Ich glaube, jetzt ist Medhyl gefragt«, meinte er. Der Barde trank einen Schluck aus der Flasche, dann reichte er sie an Hem weiter. Das geistige Nass rann Hems Kehle hinab und zog eine Hitzespur hinter sich her. Der Junge gab die Flasche weiter, und sie alle tranken davon. Hem hörte zwar auf zu zittern, seine Niedergeschlagenheit jedoch blieb. »Ich dachte, im Süden sei es warm«, brummte er. »Es ist fast Winter«, entgegnete Zelika gereizt. Sie fror, war durchnässt und hatte alles andere als gute Laune. »Wieso glaubst du, der Winter hielte nur in Annar Einzug? Ich sollte auf Kissen neben dem Ofen meiner Großmutter sitzen, während mir Diener heiße Getränke bringen. Das macht hier jeder im Winter.« »Jeder mit Dienern, meinst du wohl«, gab Hem mit einem plötzlichen Anflug von Gehässigkeit zurück. »Na, jedenfalls hast du keine Diener mehr, sie sind wahrscheinlich alle tot, und dein Haus dürfte nur noch ein Häufchen Asche sein. Dubist genauso arm wie ich.«
Zelika sog die Luft ein, als hätte er sie geschlagen. »Nur ein dummes Gossenkind sagt solche Dinge«, spie sie ihm entgegen. »Dumme, ahnungslose Jungen wie du, die gar nichts wissen.«
»Nicht ich bin dumm und ahnungslos … « , setzte Hem hitzig an, aber Zelika kehrte ihm den Rücken zu. Stockend verfiel Hem in verlegenes Schweigen, da ihm plötzlich bewusst wurde, dass Hared, Saliman und Soron ihn eingehend beobachteten. Er holte tief Luft und stellte fest, dass er bedauerte, was er gesagt hatte. Er empfand es zwar als überaus ärgerlich, wie Zelika bisweilen mit ihrer Herkunft protzte, und manchmal zeigte sie sich nachgerade herzlos unwissend darüber, wie die meisten Menschen lebten; dennoch war das kein Grund, sie so derb daran zu erinnern, was sie alles verloren hatte. Er erinnerte sich daran, dass Saliman ihn gebeten hatte, stark zu sein. Gezänk mit Zelika war vermutlich nicht, was er sich darunter vorgestellt hatte. »Es tut mir leid, Zelika«, entschuldigte er sich. »Wirklich. Es ist nur… nur…« Zelika drehte sich nicht um, aber nach einer Weile ergriff sie mit erstickter Stimme das Wort, woran Hem erkannte, dass sie geweint hatte.
»Ich weiß. Mir tut es auch leid. Sei nur nicht so gemein. Die Dinge sind schlimm genug.«
Erschöpftes Schweigen breitete sich über die Gruppe aus, und sie alle beobachteten missmutig, wie Irc versuchte, ein Bündel getrockneter Fleischstreifen zu öffnen, ohne zu versuchen, ihn daran zu hindern.
»Dieser Ort ist krank«, meinte Hem schließlich leidenschaftlich. »Man spürt es in den Gebeinen der Erde.«
»Ja.« Saliman bedachte ihn mit einem nüchternen Blick. »Was du sagst, stimmt, Hem. Die Steine selbst sind krank. Du spürst die Berührung des Namenlosen, seinen kranken Willen, den er allen lebendigen Wesen aufzwingt. Er reicht bis tief in die Erde.« Hem blickte auf seine Hände hinab. »Ich wünschte, die Dinge wären anders«, sagte er. »Ja, das tun wir alle.« Hared, der schweigend getrocknetes Obst, Brot und Räucherfleisch für ihr Abendmahl zusammengesammelt hatte, drehte sich um und bedachte Hem mit jenem wölfischen Lächeln, das nie ganz die Augen erreichte. »Aber sie sind nicht anders. Sie sind so, wie sie sind, Hem, und besser werden sie nur durch das, was wir tun.« Er deutete mit der Hand auf Irc, der die Fleischstreifen aufgegeben hatte und nun eine Dattel ins Auge fasste. »Halt diesen Vogel im
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