Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
fragte, was ein Elidhu eigentlich war; solche Wesen überstiegen sein Verständnis dermaßen, dass sie ihm fast unmöglich erschienen. Sie fürchteten den Tod nicht, weil sie nicht starben. Was dies bedeutete, durchdrang Hems Träume, erfüllte ihn mit Ehrfurcht und Grauen. Die Musik der Elidhu war mit Finsternis durchsetzt, was sowohl ihr Geheimnis als auch ihre Schönheit vertiefte und sie Hems Verständnis weit entzog. Die Elidhu waren weder gut noch böse; derlei Worte stellten eine Erfindung der Menschheit dar, um menschliche Taten zu erklären. Für Elementare besaßen sie keine Gültigkeit. Hem war außerstande, sie zu verstehen; und dennoch, seit der Baummann zu ihm gesprochen hatte, war jene Musik irgendwie ein Teil von ihm geworden.
Die Stimme aus seinem Traum, die Elidhu-Stimme, erklang in seinem Geist, und Hems Angst begann, sich aufzulösen; zurück blieb ein freundlicherer Rest, der tiefe Friede, den er vor einigen Nächten im Heim des Elidhu verspürt hatte. Hier gibt es keine Heilung, hatte der Elidhu gesagt. Aber er hatte Hem auch ein geheimnisvolles Gefühlder Hoffnung verliehen: Nicht wo, sondern wann.
Das blinde Haus
Je länger Hem im Lager blieb, desto schwieriger fand er sein Doppelleben. Beinah je de Nacht hatte er geheime Aufgaben zu erledigen, weshalb er häufig unter Schlafmangel litt. Am fünften Tag musste er seine Tarnung erneuern, was bedingte, dass er zuerst einen äußerst starken magischen Schild anfertigte und dann den anspruchsvollen Bann wob; am folgenden Tag schaffte er es kaum durch die Ausbildung. Die ständige Angst, er könnte durchschaut werden, trug zusätzlich zu seiner Erschöpfung bei. Das vielleicht Schlimmste, was er verspürte, war Einsamkeit. Er sprach mit Irc, so oft er konnte, doch ihre Gedankenberührungen erfolgten stets überhastet und kurz. Irc erzählte ihm, dass er andere Vögel von einem Mandelbaum vertrieben und sich so ein eigenes Gebiet erobert hatte, weshalb er die Nahrungssuche ohne größere Schwierigkeiten bewältigte. Allerdings fühlte er sich gelangweilt, und er vermisste Hem. An dem Tag, an dem Hem zurückkehren sollte, war er zu Hared geflogen und hatte dem Barden Hems Auskünfte über den Aufbau des Lagers überbracht. Er kehrte mit einer knappen Botschaft zurück: Falls Hem gefasst würde, sollte er sich sofort umbringen.
Das weiß ich bereits, dachte Hem ungeduldig. Kurz verspürte er Wut darüber, dass Hared es nicht für nötig befunden hatte, ihn für das zu loben, was er über die Kinderarmee herausgefunden hatte; es war mehr, als die Barden zuvor gewussthaben konnten. Andererseits, erkannte er niedergeschlagen, verlangte er wirklich zu viel. Schließlich hatte er Hareds ausdrückliche Befehle missachtet. Und dennoch war er überzeugt davon, dass Hared seine Auskünfte überaus nützlich finden würde.
Nach dem erschöpfenden Erneuern seiner Tarnung stellte Hem fest, dass seine Müdigkeit allmählich ein echtes Problem zu werben begann. Er brauchte nicht mehr vorzutäuschen, so stumpfsinnig wie Schwertschwinger zu sein: Sein Verstand arbeitete vor Erschöpfung träge. Das Einzige, was ihn wachsam bleiben ließ, war das Grauen, das die Vorstellung barg, durchschaut zu werden.
In der folgenden Nacht beschloss er trotz seiner Müdigkeit, sich erneut hinauszuwagen, um zu kundschaften; er spürte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb und er so viel wie möglich über Sjug’hakar Im in Erfahrung bringen und Zelika finden musste. Während er im Bett lag und dem Schnarchen und gedämpften Weinen der anderen schlafenden Bluthunde lauschte, dachte er über seinen Traum von dem Elidhu nach - so es ein Traum gewesen war -, den er vor drei Nächten gehabt hatte. Er erinnerte sich daran, dass Saliman seine Vision des Baummanns in Nal-Ak-Burat sehr ernst genommen und nicht als Ausgeburt eines verwirrten Geistes abgetan hatte; weshalb also sollte diese Vision nicht echt gewesen sein? Hem besann sich, dass Saliman dem Baummann einen Namen gegeben hatte, und kramte in seinem Gedächtnis, ehe er ihm einfiel: Nyanar. So lautete er.
Wer war dieser Nyanar? Und was wollte er von Hem? Er unterschied sich völlig von Maerads Beschreibung der Ardina, die sich fast menschlich anhörte. Dieser Elidhu hingegen wirkte selbst in menschlicher Gestalt überhaupt nicht menschlich. Und dennoch, trotz seines prickelnden Bewusstseins der Seltsamkeit des Elidhu, eines Bewusstseins, nur einen Hauch von Furcht entfernt, verspürte Hem gleichzeitig eine Vertrautheit,
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