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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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betrachtet hatte. Inzwischen glaubte er, ihn zu verstehen. Maerad hatte ihm gelegentlich erzählt, wie sehr sie sich wünschte, in Norloch oder Inneil oder Gent bleiben zu können, wo sie etwas über die Schriften Annars und der Sieben Königreiche sowie die Überlieferungen des Bardentums lernen könnte. Wenn sie von ihrem Verlangen zu lernen sprach, zitterte ihre Stimme ein wenig vor Gefühlen, zumal es schien, dass es sich nie erfüllen würde: Statt dem stillen Dasein einer Gelehrten schien es ihre Bestimmung zu sein, auf einer gefährlichen Suche dunklen Pfaden zu folgen. Für Hem hatte Maerads Bedauern ein Rätsel dargestellt. Wieso sollte jemand so hart an etwas arbeiten wollen, das ihm so trocken und staubig erschien, wenn man stattdessen zu einem Abenteuer aufbrechen konnte? Denn in Hems Geist drängten sich Heldengeschichten, die er sich ausgedacht hatte, um sich in der Dunkelheit seiner Kindheit zu trösten. Da er jedoch mittlerweile echter Gefahr begegnet war, fand er, dass Maerad doch Recht hatte. Die Heilhäuser hatten ein Licht in ihm entfacht; er hatte etwas gefunden, dem er sein Leben widmen wollte, und er brannte vor Verlangen, die Kunst des Heilens zu erlernen. Und so wie Maerad hatte auch Hem feststellen müssen, dass sein Wunsch unmittelbar davor schien, zerstört zu werden.
    Seit die Totenkrähen Turbansk nicht mehr angriffen, ließ er seine Rüstung in seinem Zimmer und betrachtete sie mit einem schiefen Blick, wenn er zum Schlafen nach Hause kam. Die Vorstellung, dass er vielleicht kämpfen und jemanden töten müsste, erfüllte ihn mit einem Grauen, das er Zelika gegenüber nicht zuzugeben wagte. Er hasste die Schwarze Armee; die schrecklichen Wunden, die er an den Kindern aus Baladh gesehen hatte, ließen sein Herz vor Wut glühen; zudem wusste er, dass die Finsternis eine Familie zerstört und sein Leben zerrüttet hatte, dennoch fragte er sich manchmal, ob er auch nur einen Untoten töten könnte. Er schämte sich dafür. Sogar, als die Untoten gedroht hatten, ihm die Kehle durchzuschneiden, wenn er sich weigerte, einen Jungen zu ermorden - vor langer, langer Zeit, wie es ihm mittlerweile erschien -, war er nicht in der Lage gewesen, die Hand zu heben. Er hatte keine Gewissensbisse, jemandem die Nase zu brechen, doch das Leben eines anderen Menschen auszulöschen, war etwas völlig anderes. Ihm fehlte Zelikas Rücksichtslosigkeit.
    Trotz ihres Gelübdes, so viele Krieger der Schwarzen Armee zu metzeln, wie sie könnte, arbeitete Zelika mit Hem in den Heilhäusern und kehrte jeden Abend mit ihm zu ihren Zimmern im Ernan zurück. Es überraschte Hem ein wenig, dass sie nicht verlangt hatte, sich auf die Mauern zu begeben, um unter den Soldaten dort zu kämpfen, doch sie hatte ihn nur mit einem höhnischen Blick bedacht, als er sie gefragt hatte, weshalb sie das Schwert abgelegt hatte.
    »Ich will ihre Gesichter sehen, wenn ich sie töte«, hatte sie geantwortet. »Und ich will, dass sie mein Gesicht sehen. Pfeile taugen nichts. Und wenn die Mauern fallen, bleibt noch reichlich Zeit zum Töten.«
    Die nüchterne Gleichgültigkeit ihrer Erwiderung hatte Hem einen Schauder über den Rücken gejagt, und er hatte keine weiteren Fragen gestellt.
    Im Verlauf der folgenden Tage konnte selbst Hems Aufmerksamkeit nicht entgehen, dass sich der Angriff auf Turbansk verschärfte. Der Zustrom der Verwundeten in die Heilhäuser schwoll merklich an, auch die Verletzungen wurden schlimmer. Hem wurde dazu berufen, Oslar bei den schwereren Fällen in einem Raum zu helfen, der als Mohnkammer bezeichnet wurde -der Name rührte daher, dass dort so häufig jene schmerzstillende Tinktur namens Madran zum Einsatz gelangte, die man aus Mohn gewann. Hem sah Soldaten mit Verbrennungen, wie er sie von den Flüchtlingen aus Baladh kannte, und erfuhr mit einem Schauder des Entsetzens, dass die Hundsoldaten die ersten Angriffe gegen die Stadt unternahmen. Inzwischen nahm Hem jeden Abend, wenn er müde zurück zum Ernan ging, um etwas zu essen, den modrigen Geruch von Bränden in der lauen Abendluft wahr, und er schmeckte bittere Ascheteilchen auf der Zunge. Lieder hörte man nur noch in wenigen Nächten. Da es zu wenige Heiler gab, um all der Verletzungen Herr zu werden, begab er sich nach dem Abendessen oft zurück in die Heilhäuser und arbeitete bis spät in die Nacht. Sein zerbrechliches Gefühl des Friedens zerplatzte wie eine Blase und verschwand völlig.
    Zelika begleitete ihn nach wie vor zur Arbeit mit Oslar. Sie

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