Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
plaudern, und die Unterhaltung wurde allgemeiner. Als Hem sich unbeobachtet wähnte, atmete er vor Erleichterung aus wie ein kleines Kind. Im Gegensatz zu Zelika bemerkte er nicht, dass Saliman in seine Richtung spähte und bei sich lächelte, als wäre er hocherfreut. Zelika, die neben Hem saß, ergriff seine Hand und drückte sie. Überrascht schaute der Junge zu ihr auf. In ihren Augen funkelte etwas, das er für unterdrücktes Gelächter hielt.
»Dein Gesicht läuft ja wirklich knallrot an«, flüsterte sie. »Das sieht gerade bei heller Haut sehr komisch aus.«
Hem lächelte verlegen, erwiderte jedoch nichts. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er an einer solchen Bemerkung Anstoß genommen, doch im Augenblick fühlte er sich durch Zelikas Hänselei etwas besser.
Bald darauf betrat ein Barde mit einem Hackbrett den Raum und verneigte sich. »Willkommen, Ikarun«, begrüßte ihn Har-Ytan. »Jetzt«, sagte sie zu den anderen, »werden wir etwas hören, das unseren Mut hebt.«
Der Spielmann verneigte sich abermals. »Mit Eurer Erlaubnis, o Quell des Lichts,und selbstverständlich der Euren, werte Damen und Herren«, sagte er, »möchte ich zu Eurer Unterhaltung ein neues Lied vortragen.« Höflich nickte er Hem zu, dann schlug er einen Akkord an und begann mit voller, wunderschöner Stimme zu singen.
Hem fiel ein, was Saliman zuvor gesagt hatte, nämlich, dass er ein Lied gehört hatte, das über die Schlacht der Vögel geschrieben worden war; sein Gesicht fühlte sich heiß an. Er spürte Zelika neben sich und wusste, ohne hinzusehen, dass sie Mühe hatte, nicht zu kichern.
»Ich singe von einem Jungen, der von Norden kam, Mit einem Vogel auf seiner Schulter, Lios Hlaf, Balsam in seinen Händen, Sprache auf seiner Zunge, Er kam in unserer dunkelsten Stunde, In unserer dunkelsten Stunde …«
Wie Hem vermutet hatte, handelte das Lied von der Schlacht der Vögel. Es war nicht gänzlich unangenehm, als großer Held gefeiert zu werden, obwohl Hem dies eher wusste als fühlte; die tatsächliche Erfahrung verunsicherte ihn zu sehr, um es wirklich zu genießen. Nachdem das Lied geendet hatte, klatschten alle, und der Spielmann verneigte sich erneut und verließ den Raum.
»In diesen Zeiten ist jeder Sieg einer Feier würdig«, meinte Har-Ytan. »Deshalb lobpreisen wir dich, Hem, bescheidenster undjüngster aller Generäle.« Dann beugte sie sich lächelnd und höchst unköniglich vor und kniff ihn in die Wange, als wäre er ein Kleinkind. Hem glaubte allmählich, er würde nie wieder aufhören zu erröten. Nun konnte Zelika sich nicht mehr zurückhalten und kicherte tatsächlich. Har-Ytan sah sie mit zuckenden Mundwinkeln an, dann lachte auch sie drauflos, so ungehemmt, als wäre sie nicht die Königin einer Stadt, die bald von der Armee vor ihren Toren in den Boden gestampft werden könnte.
Nichtjedem, der von den Totenkrähen angegriffen worden war, erging es so gut wie Hem; viele waren erkrankt und einige gestorben. Am Tag, nachdem Hem zur Ernani gerufen worden war, bat Oslar erneut um Hems Hilfe in den Heilhäusern, und in den da- rauf folgenden Tagen verbrachten Hem und Zelika den Großteil ihrer Zeit dort. Die Heilhäuser schienen seltsam unberührt von den Gefechten draußen; eine gewisse Beschaulichkeit erfüllte die kühlen Räume, und die Heiler bewegten sich leise, ohne Eile und mit ernsten Mienen zwischen den Kranken und Verwundeten hin und her. Viele hatte das Krähenfieber gepackt, und Hem zeigte sich bestürzt, als er sah, wie krank sie aussahen. Er hatte sich so vollständig davon erholt, dass er nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Oslar hatte Hem persönlich mit gerunzelter Stirn untersucht, bevor er dem Jungen gestattet hatte, die Arbeit wieder aufzunehmen. Hem hatte es mit einem kaum verholenen Seufzen der Ungeduld über sich ergehen lassen; doch nun begriff er, weshalb Saliman so besorgt gewesen war. »Du hattest Glück, mein Junge«, sagte Oslar, nachdem er Hems Puls und Temperatur gemessen, seine Pupillen überprüft, auf seine Ellbogen und Knie geklopft und sich vergewissert hatte, dass sein Appetit wie üblich war. »Du scheinst zäher als einige unserer hartgesottensten Kämpfer. Dieser Krankheit sind einige wirklich starke Männer erlegen.«
»Saliman hat mich geheilt«, erwiderte Hem.
»Er ist in der Tat ein großer Heiler«, meinte Oslar. »Ich könnte seine Fähigkeiten hier gut gebrauchen und bedauere, dass er gezwungen ist, seine Zeit mit Töten statt mit Heilen zu
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