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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Schlaf.

 
Am Rand des Untergangs
    Weil Hem weder aus Turbansk noch aus Suderain stammte, kannte er die meisten nicht , um die er sich kümmerte. Die Männer und Frauen, die er versorgte, waren für ihn Fremde, und er lernte, seinen Geist gegen ihr Leid zu stählen, um zu tun, was für die Behandlung ihrer Verletzungen getan werden musste. Hätte er das Grauen all dessen, was er bezeugte, vollends an sich herangelassen, wäre er vor Gram zusammengebrochen und nutzlos gewesen. Deshalb lenkte er die Gedanken bewusst davon ab und bündelte sie stattdessen auf Heilzauber und Salben, das Richten gebrochener Knochen und das Lindern von Schmerzen. Im Laternenraum, wo keiner seiner Schützlinge in Lebensgefahr geschwebt hatte, war es nicht so schlimm gewesen; da er mittlerweile jedoch wieder Oslar half, sah er einige wahrhaft grauenhafte Dinge. Am fünften Tag wurde ein Mann auf einer Bahre hereingebracht. Er hatte über dem Westtor gekämpft, wo die Schlacht am wildesten tobte, und war von einem jener grässlichen Geschosse getroffen worden, die von der Schwarzen Armee mit Katapulten auf die Verteidiger auf den Mauern geschleudert wurden. Wenn sie einschlugen, explodierten sie unter einem tödlichen Hagel aus dornigen Eisenteilen und einer Form von Zauberfeuer - flüssigen Flammen, die sich in die Haut derer brannten, denen das Pech beschieden war, sich in ihrer Reichweite zu befinden. Der Mann hatte die ärgste Wucht des Geschosses am rechten Arm und an der Schulter abbekommen, die nur noch eine Masse zerklüfteten, verbrannten Fleisches bildeten und kaum noch als Teil eines Menschen erkennbar waren. In seinen Bauch hatte ein Metallteil eingeschlagen, und neben etlichen Schnittwunden am Rest des Körpers war sein rechter Oberschenkel dermaßen zerschmettert, dass Knochensplitter aus der Haut ragten.
    Hem warf einen Blick auf den Mann und wusste, dass er zum Sterben verurteilt war; es kam einem Wunder gleich, dass er überhaupt noch lebte. Seine Haut wies die gräuliche, staubige Färbung eines bereits Toten auf, sein Atem ging rasselnd und unregelmäßig. Blut verschmierte sein Gesicht, und um den Mund war der Speichel zu weißem, mit schwarzen Punkten geflecktem Schaum getrocknet. Wenigstens, dachte Hem, spürt er nichts … Doch zum Erstaunen und Entsetzen desjungen drehte der Mann den Kopf, öffnete die Augen und sah ihn unverwandt an. Mit einem frostigen Schauder, der ihm bis in die Fußsohlen fuhr, erkannte Hem Boran, den Kaffeeverkäufer.
    Hem hielt bereits Madran in der Hand, jenen Mohntrank, der Schmerzen linderte. Behutsam hob er Borans Kopf an, um ihm das Gebräu in den Mund zu träufeln. Boran regte sich, und plötzlich wurde sein verschwommener Blick völlig klar und gewärtig. Trotz seines Zustands versuchte er zu lächeln.
    »Du bist doch der Vogeljunge, nichtwahr?« Borans Augen hatten sich so eindringlich auf Hem geheftet, als gäbe es außer ihm nichts mehr auf der Welt. Hem nickte. »Hallo, Boran«, flüsterte er und beugte sich dicht vor das Gesicht des Mannes. »Trinkt das. Es hilft gegen die Schmerzen.« Er setzte den Trank an Borans Lippen an, doch dieser drehte den Mund weg.
    »Es wird mich einschlafen lassen, oder? Und ich werde nicht mehr erwachen.« Boran zuckte zusammen und rang nach Luft.
    »Nein, Ihr werdet erwachen«, widersprach Hem in vollem Wissen, dass er log. »Es wird alles gut.«
    »Ach, Junge, ich kenne die Lügen der Heiler.« Boran schluckte krampfhaft, und seinen gesamten Körper durchlief ein Schauder. »Versuch nicht, den alten Boran zum Narren zu halten. Ich weiß, dass ich am Ende bin. Und ich spüre ohnehin nichts.« Er schloss kurz die Augen, dann starrte er Hem wieder eindringlich an und bemühte sich, weiterzusprechen. Hem beugte sich noch dichter zu ihm. »Ich bereue nichts, Junge«, brachte Boran hervor. »Ich habe ehrenvoll gekämpft. Ich bin froh, dass ich meine Tochter weggeschickt habe. Aber trotzdem …«
    Wieder schloss Boran die Augen. Hem stellte den Trank beiseite und wischte ihm mit einem feuchten Tuch die Stirn und den Mund ab. Mitleid zermarterte sein Herz. »Trotzdem«, flüsterte Boran so leise, dass Hem es kaum zu hören vermochte, »hätte ich sie gerne wiedergesehen. Sie ist so lieblich, meine Amira, so lieblich. Das war sie schon, als sie geboren wurde, und sie ist es noch immer.«
    Eine Weile lag er reglos da, und Hem fragte sich, ob er gestorben war. Dann jedoch schlug Boran die Augen neuerlich auf. »Falls du Amira siehst, so sag ihr, dass ich sie

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