Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
verstand, an einen Ort, der zugleich heiß und kalt war, leidenschaftlich und unerbittlich wie das lebendige Herz eines Felsens. Er schleuderte sich in Richtung der vor ihm entweichenden Gestalt, wusste nicht mehr, was er tat, und rief mit jeder Faser seines Wesens Salimans Namen Arundulan! Einen endlosen Augenblick setzten alle Sinne aus, und er schien nur noch in einer Leere zu existieren, die sich rings um ihn erstreckte, ewig schwebend zwischen Leben und Tod. Dann erkannte er, dass seine Hand die des lebendigen Saliman umklammerte und er vor Erschöpfung schluchzend über Salimans sanft atmendem Körper kauerte - und dass die Krankheit verschwunden war.
Teil drei
Das Hohle Land
Nicht oft ward solche Liebe gesehen wie zwischen Saliman und Hem; denn einen jeden von ihnen dünkte sein Leben ein geringer Preis für des anderen Wohl. Wie Schilfrohre im Wasser, so beugten sie sich Seite an Seite vor der sanften Brise; wie breite Eichen im Walde widerstanden sie zusammen dem stärksten Sturm; noch hat je einer den anderen im Stich gelassen. Wahrlich gesegnet ist jeder, der sich solch eines Freundes erfreut!
Aus Die Geschichte von Saliman, Maerad von Turbansk
Ardina
»Das ist hoffnungslos«, sagte Maerad. Ihr Blick wanderte schwelend vor Verärgerung über die einsamen, kahlen Hügel des Hohlen Landes. »Ich schwöre, der Namenlose selbst hat diesen Regen geschickt. Verflucht sei er. Verflucht und verdammt.«
Cadvan, der mit großer Mühe versuchte, im Angesicht des beißenden Windes ein Feuer anzuzünden, schaute auf. »Es besteht kein Zweifel, dass der Namenlose ein mächtiger Hexer ist«, sagte er milde. »Aber ich denke, dieses Wetter hat nichts mit ihm zu tun. Solche Überschwemmungen hat es schon zuvor gegeben -zugegeben, zuletzt vor langer Zeit -, und es war ungefähr an der Zeit für eine weitere.«
»Trotzdem scheint es mir ein sehr praktischer Zufall«, meinte Maerad düster. »Woher willst du wissen, dass nicht er die Regenwolken heraufbeschworen hat, um uns den Weg zu erschweren? Falls wir ihn je bezwingen, bestrafe ich ihn mit ewig tauben Fingern und nassen Kleidern. Das geschähe ihm recht.«
Cadvan lachte, dann verstummte er, als er eine Flamme hütete, die endlich entfacht war. Behutsam nährte er sie vom Zunder hin zum Holz. Maerad wandte dem Hohlen Land den Rücken zu und richtete die Aufmerksamkeit darauf, ihm zu helfen, den Flammen Leben einzuhauchen, bis sie ein kräftiges Feuer hatten. Dann bereiteten sie eine wenig appetitanregende, aber nahrhafte Mahlzeit zu, die vorwiegend aus heißem Bohnenschleim und zum Rösten in die Kohlen gesteckten Rüben bestand. Nach dem Essen seufzte Maerad und streckte die Hände den Flammen entgegen.
Sie kauerten unter einem Felsgebilde, das einen natürlichen Unterstand formte. Der Boden darunter war trocken, und es bot sogar ein wenig Schutz vor dem wechselnden Wind. Die Pferde wanderten ungesattelt in der Nähe umher und grasten, die Rücken gegen die Kälte verkrümmt.
»Was sollen wir tun?«, fragte Maerad, womit sie zu ihrer früheren Beschwerde zurückkehrte. »Ich bin überzeugt davon, dass wir genau in die falsche Richtung unterwegs sind.«
Cadvan musterte ihre Züge, ehe er stirnrunzelnd ins Feuer starrte. »Wir haben zwei Möglichkeiten. Die eine ist, zu warten, bis die Fluten zurückweichen. Das Schlimmste wird wahrscheinlich in höchstens ein paar Tagen vorüber sein. Oder wir können versuchen, sie zu umgehen, wenngleich ich vermute, dass es um den Aleph noch schlimmer bestellt sein dürfte, wenn schon der Inlan so heftig über die Ufer getreten ist. Und wir können nicht wissen, ob es um den Milhol besser bestellt ist. Unter Umständen sehen wir uns auch Überschwemmungen im Norden gegenüber, sobald wir die Hügel verlassen.«
»Wir haben aber keine Zeit.«
»Das ist richtig. Dennoch sind das alle Möglichkeiten, die wir haben. Im Augenblick ist uns der Weg nach Süden versperrt. Mein bester Vorschlag lautet, es Richtung Osten zu versuchen und dann südwärts nach Desor zu schwenken.« »Ich will nicht in die Nähe von Desor«, erwiderte Maerad eingedenk einiger Barden aus Desor, die sie in Inneil einst kennen gelernt hatte. »Ich bin sicher, die Schule ist so verderbt wie Ettinor. Wir würden mit Sicherheit auf Untote stoßen.« »Ich meinte damit auch nicht, dass wir ans Tor der Schule klopfen sollen.« Maerad schwieg eine Weile und ließ sich ihre Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Letztlich seufzte sie und
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