Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
mehr würdigen kann, tue ich es jetzt.« Saliman hustete und wandte das Gesicht ab.
Hems Augen füllten sich mit Tränen. »Das mache ich nur, weil ich dich liebe«, erwiderte er knapp.
»Ja«, gab Saliman mit sanfter Stimme zurück. »Solche Taten werden aus Liebe geboren.«
Saliman schloss die Augen. Langes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Hem rührte den Eintopf um, würzte ihn mit Salz und getrockneten Kräutern und brachte ihn über dem Feuer an. Er war so zerstreut, dass er kaum mitbekam, was er tat, weshalb der Topf um ein Haar vom Dreibein und in das Feuer gefallen wäre. Irc, der sich auf Hems Bündel gekauert hatte, krächzte erschraken. Das ist unser Abendessen!, rief er aus.
Hast du heute etwas zum Fressen gefunden?, erkundigte sich Hem.
Nein. Naja, jedenfalls nicht viel. Wird Saliman wieder gesund? Er ist ehr still. Ich weiß es nicht, antwortete Hem. Ich werde versuchen, ihn gesund u machen. Das musst du, meinte Irc. Sonst bin ich sehr traurig. Hem erwiderte nichts, sondern starrte auf den Eintopf, der vor einen Augen verschwamm. Saliman wollte nichts essen und trank nur durstig aus seiner Wasserflasche. Hem teilte sich den Eintopf mit Irc, der darin herumpickte, sich anschließend wieder auf Hems Bündel kauerte und einschlief. Hem saß da, schürte das Feuer und starrte in dessen Tiefen. Sein ganzer Leib schmerzte, und er war sehr müde. Er fragte sich, ob er noch genug Kraft besäße, um in dieser Nacht eine Heilung zu vollbringen; doch wenn er es nicht täte, könnte es zu spät sein. Wenn es das nicht bereits war. Saliman rührte sich, und Hem blickte zu ihm hinüber.
»Hem, noch eine Sache.« Er setzte sich auf, beugte sich in Hems Richtung und leckte sich über die Lippen. Dabei erkannte Hem, dass bereits mehrere Wundstellen um seine Mundwinkel sichtbar waren. »Wenn du fest entschlossen bist, zu versuchen, mich zu heilen, musst du wissen, was diese Krankheit ist. Sie ist deshalb so schwierig zu heilen, weil sie sich wie Rauch durch den Körper kräuselt, wabernd, sich wandelnd, sodass man ihre Gestalt nicht zu erfassen vermag. Sie verändert sich ständig. Und sie reicht stets tiefer, als man erkennt. Man denkt, man hat sie aus dem Körper vertrieben, und muss gleich darauf feststellen, dass sie sich in sich selbst zurückgezogen hat und irgendwo anders auftaucht, wo man sie nicht erwartet.«
»Hast du je selbst jemanden mit der weißen Krankheit behandelt?«, wollte Hem wissen.
Saliman schüttelte den Kopf. »In Suderain ist sie noch nicht aufgetreten«, erwiderte er. »Das ist nur, was ich gelesen habe oder mir erzählt wurde.« Kurz brach er ab, als sammelte er Kraft, um weiterzusprechen. »Aber ich spüre nun im eigenen Leib, dass es stimmt. Die Seuche entzieht sich andauernd meiner eigenen Magie. Geduld, Hem, und Kraft. Du solltest schlafen, bevor du es versuchst.« »Aber wenn ich schlafe, könnte es zu spät sein.«
»Hem, ich will ehrlich sein. Ich glaube nicht, dass es dir möglich ist, diese Krankheit aus mir zu vertreiben. Ich bin mit ganzem Herzen davon überzeugt, dass du es nicht versuchen solltest.«
»Ich weiß«, erwiderte Hem. »Aber ich werde es trotzdem tun.«
»Nun, wenn das so ist, schlage ich vor, du ruhst dich zuerst aus. Und falls du aufwachst und dir klar wird, dass du es doch nicht tun kannst, sollst du wissen, dass ich finde, du solltest mich verlassen. Denk daran.« Die letzten beiden Worte sprach Saliman mit solchem Nachdruck, dass Hem zusammenzuckte. »Ich weiß das«, flüsterte er. »Aber ich weiß auch, was ich will.«
Abermals schwieg Saliman lange Zeit, dann sagte er: »Hem. Mein wahrer Name lautet Arundulan.«
»Arundulan«, wiederholte Hem überwältigt. Jemand anderem seinen wahren Namen zu verraten, galt unter Barden als der höchste Vertrauensbeweis überhaupt. Arundulan bedeutete in der Hohen Sprache »Glut«, glühende Kohlen, die jeden Augenblick jäh in Flammen ausbrechen konnten. »Arundulan.« »Unter Umständen brauchst du ihn«, fügte Saliman hinzu. »Außerdem möchte ich nicht sterben, ohne dir meinen Namen anvertraut zu haben.«
Hem räusperte sich. »Ich wünschte, ich wüsste meinen eigenen wahren Namen, damit ich ihn dir sagen könnte«, meinte er.
»So das Licht will, wirst du ihn eines Tages erfahren.« Damit schloss Saliman die Augen, und Stille kehrte wieder ein.
Hem starrte ins Feuer und wog die Gefahren dessen ab, was er zu tun beabsichtigte. Er wusste, dass Saliman die Wahrheit sagte und es vernünftig
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