Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
offensichtliche, törichte Dinge von sich zu geben. Und erfühlte sich so müde, dass er sich kaum aufrecht halten konnte.
»Sprich nicht«, forderte Saliman ihn auf. »Es bedarf keiner Worte. Und dieser Eintopf ist bald fertig.«
Wie das Wasser schmeckte auch der Eintopf köstlich. Selbst die stickige, verrauchte Luft in der Hütte schien zu duften wie ein Rosengarten in den Palästen von Turbansk.
»Ich vermute, mir schmeckt deshalb alles so gut, weil ich dachte, ich würde nie wieder etwas schmecken«, meinte Hem, während er die letzten Löffel des Eintopfs von seinem Teller zusammenkratzte. Saliman lächelte, erwiderte jedoch nichts. Irc war mit untrüglichem Gespür gerade rechtzeitig in dem Augenblick hereingekommen, in dem Saliman ihre Mahlzeit angerichtet hatte, und gurrte zufrieden in Hems Schoß. Hem stellte seinen Teller ab und kitzelte Ircs Hals. Die Krähe verhielt sich ungewöhnlich still; Irc spürte, wie knapp er davorgestanden hatte, seine Freunde zu verlieren, obwohl Hem ihm nicht gesagt hatte, wie verzweifelt ihre Lage gewesen war. Und die Fluten hatten ihn mehr verängstigt, als er zugeben wollte. Das Wasser war gestiegen, bis die Geländerücken, in denen sie Zuflucht gesucht hatten, zu einer Reihe von Inseln geworden waren, und Irc hatte berichtet, dass sich auf manchen davon nass und elend Tiere scharten.
Ich habe Hühner und Füchse zusammen im Schlamm gesehen, erzählte er Hem und wischte sich den Schnabel an Hems Hose ab. Die Hühner rannten nicht weg, und die Füchse jagten sie nicht. Niemand wollte mit mir reden…Es war sehr seltsam.
Sie hatten Angst, erwiderte Hem.
Na ja, ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis alle wieder jagen. Irc verlangte, gekrault zu werden, dann kauerte er sich auf Hems Bündel und schlief ein. Hem und Saliman unterhielten sich noch ein Weilchen über belanglose Dinge wie Ircs Beobachtungen oder den traurigen Zustand von Hems Stiefeln; keiner der beiden fühlte sich in der Lage, über etwas Ernstes zu reden, beispielsweise darüber, wie nah sie dem Tod gekommen waren oder was sie als Nächstes tun sollten. Hem versuchte, seine Besorgnis darüber zu verbergen, wie stark Saliman in den letzten Tagen abgenommen hatte; während er durch die anstrengende Reise bereits schlank gewesen war, hatte ihn die Krankheit beinah in ein Skelett verwandelt, und sein Gesicht wirkte ausgezehrt. Obwohl sie beide die meiste Zeit mit Schlafen verbracht hatten und nur zu den Mahlzeiten aufgewacht waren, sah er immer noch kaum besser aus.
Nun, da Hem gerufen worden war, wusste er, dass sie weiterziehen mussten. Er betrachtete Salimans schlafende Gestalt und fragte sich, wie dieser den Marsch bewältigen würde. Ohne Saliman konnte er nicht aufbrechen, andererseits brannte die Dringlichkeit von Maerads Ruf wie ein verzehrender Hunger in seinem Inneren.
Vorläufig schob Hem diese Sorgen von sich. Er stellte fest, dass die Erschöpfung, die in den letzten Tagen auf ihm gelastet hatte, verschwunden war. Der Junge verspürte keinerlei Müdigkeit. Als sein erster Schreck über das unverhoffte Ereignis sich legte, begann eine seltene Freude durch seine Adern zu singen. Seit sie Til Amon verlassen hatten, war er von nagenden Zweifeln verfolgt worden: Vielleicht irrte er sich in seiner Überzeugung, Maerad zu finden, vielleicht führten ihn seine Hoffnung und Liebe in die Irre wie damals, als er so verzweifelt versucht hatte, seine Freundin Zelika im verfluchten Reich Den Raven zu finden. Nun jedoch wusste er, dass Maerad lebte, dass sie ihn ebenso suchte wie er sie, und das Wissen erfüllte ihn mit Erleichterung. Endlich wusste er, was zu tun war. Als der Himmel sich aufhellte, erwachte Irc, kam zu Hem gestakst und verlangte nach Essen. Hem gab ihm ein paar Brocken der Reste vom vergangenen Abend. Irc knabberte sie ihm dankbar aus der Hand, schluckte sie und flog davon. Hem ging hinaus und beobachtete, wie Irc hoch in den wolkenlosen Himmel aufstieg. Klares, fahles Sonnenlicht schien herab, und es wehte ein frischer, kalter Wind. Ein guter Tag, um aufzubrechen.
Während Hem weiter müßig Irc beobachtete, fragte er sich, was die Krähe bei ihren persönlichen Streifzügen tat. Manchmal verschwand Irc fast den ganzen Tag, höchstwahrscheinlich angestachelt von seiner unersättlichen Neugier, doch er kehrte immer zu den Mahlzeiten und häufig für eine kurze Plauderei zurück. Mittlerweile war er ein ausgewachsener Vogel, der sich am Boden plump und tollpatschig gebärdete, was
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