Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Gelegenheit warten, still und heimlich die Felder zu überqueren.«
»Aber die Straße führt genau in die Richtung, in die wir müssen!«, beharrte Hem. Ihm missfiel die Vorstellung, auch nur einen Schritt umzukehren; sich von dem Ruf abzuwenden, wäre, als schwömme er flussaufwärts gegen eine heftige Strömung. Saliman bemerkte die Dringlichkeit in seinem Tonfall und bedachte ihn mit einem raschen, durchdringenden Blick.
Ich muss, sagte Hem verzweifelt in Salimans Gedanken. Ich kann sehen, wohin wir müssen. Wir können nicht umkehren.
Saliman nickte. »Lasst uns über diesen Hügel reiten und besprechen, was wir tun sollten«, sprach er laut aus. »Eine überhastete Entscheidung könnte unser Untergang sein, Hem. Ich denke, es ist besser, sich ein wenig Zeit zu lassen und das Ziel letztendlich zu erreichen, als überstürzt zu handeln und niemals anzukommen.«
Sie beschlossen, entlang der Straße anzuhalten und sich eine Mahlzeit zuzubereiten, da sie seit dem Morgen noch nichts gegessen hatten. Dabei wollten sie ihr weiteres Vorgehen besprechen. Hastig holten sie etwas zu essen hervor und behielten dabei angespannt die Straße im Auge. Mittlerweile kamen kaum noch Leute vorbei, und wenn, dann vorwiegend Soldaten. Jedes Mal, wenn sich die Augen eines Soldaten auf sie hefteten, verspürte Hem ein Unbehagen; es war nur eine Frage der Zeit, bis man sie abermals anhalten und befragen würde. Während sie alle - auch die Tiere - den Gau von Desor so rasch wie möglich wieder verlassen wollten, konnten sie sich nicht darauf einigen, wie sie es anstellen sollten. Saliman und Hekibel waren dafür, umzukehren. Hem sprach sich heftig dagegen aus. Er warf ein, dass sie es sich nicht leisten konnten, Zeit zu verlieren, erst recht nicht jetzt, da sie wussten, dass in Annar offener Krieg bevorstand. Zudem fürchtete er, dass sie auf der Straße durchaus der Schwarzen Armee über den Weg laufen könnten, wenn sie umkehrten.
»Und was ist mit dem Untoten, der uns verfolgt hat?«, fügte er hinzu. »Ich bin mir keineswegs sicher, dass wir ihn auf den überschwemmten Ebenen abgeschüttelt haben, Saliman. In all dem Schlamm haben wir Spuren hinterlassen, denen selbst ein Blinder zu folgen vermag. Wir könnten auf Untote treffen, die auf der Jagd nach uns sind, wenn wir umkehren … Ich finde, wir sollten weiterreiten.« Saliman runzelte nachdenklich die Stirn, dann seufzte er. »Ich fürchte, du hast recht, Hem. Vielleicht könnte Irc für uns auskundschaften, wo die Schwarze Armee sich befindet. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, wie weit sie entfernt ist.«
»Ich mich auch«, pflichtete Hekibel ihm bei. »Ich möchte bei meinem Leben nicht näher an Bregor heran. Auf der Straße sind nicht genug Menschen, um sich unter ihnen zu verstecken. Mir gefällt das ganz und gar nicht.«
»Sicher ist es nirgends«, erwiderte Hem rastlos. »Ich hasse diesen stinkenden, verkommenen Ort. Er gleicht einem Kerker.« Er spähte zur Straße, wo eine Gruppe Soldaten vorüberzog. »Und je länger wir neben der Straße verweilen, desto eher wird uns jemand Schwierigkeiten machen. Welche Richtung wir auch einschlagen, wir fallen weniger auf, wenn wir in Bewegung sind.«
Letzten Endes stimmte Saliman mit einem schweren Seufzen zu, dass die Gefahren einer Umkehr ebenso groß waren wie die des Weiterreitens und es am gefährlichsten von allem war, entlang der Straße anzuhalten und dadurch unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.
Irc flog los, um herauszufinden, ob die Schwarze Armee den Gau bereits erreicht hatte, begleitet von der strengen Mahnung Hems, sich aus jeglichem Arger herauszuhalten. Die anderen setzten die Reise fort.
Mittlerweile war es später Nachmittag, und sie trieben die Pferde an. Sie hatten nicht besprochen, wo sie für die Nacht anhalten sollten, zumal sie alle nicht wussten, ob sie es überhaupt tun sollten, doch andererseits würden sie sich irgendwann ausruhen müssen. Je weiter sie sich dabei von Bregor entfernt befanden, desto besser. Hem versuchte, nicht zu dem Lager hinüberzuschauen; der Anblick erfüllte ihn mit Furcht.
Bald erreichten sie den Weiler, wo die Straße sich gabelte und nach Westen schwenkte. Die Straße selbst erwies sich als verwaist, und auch die Häuser, an denen sie vorbeiritten, wirkten menschenleer. Hems Unbehagen steigerte sich mit jedem Schritt.
»Da vorn ist eine Absperrung«, verkündete Hekibel mit leiser Stimme. »Ich dachte mir schon, dass es eine geben
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