Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
geduckt zu bleiben. Saliman schwenkte Minna jäh herum, änderte ständig die Richtung, und Hekibel ritt hinter ihm her, bündelte alle Aufmerksamkeit darauf, seinen Bewegungen zu folgen. Durch den Lärm der durch das Unterholz preschenden Tiere konnte Hem ihre Verfolger nicht hören, aber er war überzeugt davon, dass sie sich nicht weit hinter ihnen befinden konnten. Mittlerweile hatte er jedes Richtungsgefühl verloren.
Sie gelangten zu einem Bach. Saliman ritt das steile Ufer hinab und trieb Minna ins Wasser. Usha schnaubte und folgte der Stute. Sie verlangsamten den Ritt, trabten gemächlicher stromaufwärts. Das seichte Wasser schäumte um die Hufe der Pferde, und sein Rauschen übertönte die Geräusche, die sie selbst verursachten. Hem entspannte sich ein wenig. Sie ritten ein gutes Stück im Bach, bevor Saliman Minna am anderen Ufer hinauslenkte. Dort befand sich ein dicht gewachsener Hain aus uralten Eichen mit breiten Stämmen, die so nah beisammenstanden, dass ihre Äste sich ineinander verflochten hatten und bis tief über den Boden herabreichten. An den Zweigen prangten frisch gesprossene Blätter, die mit ihrem saftigen Grün ein feines, dicht gewobenes Zelt bildeten. Dort stiegen sie ab und führten die Pferde in den Schatten.
Die Tiere hatten sich während des gemächlichen Trabs durch den Bach abgekühlt und waren nicht mehr außer Atem, aber ihre Felle wiesen vor Schweiß weiße Schlieren auf, und über ihre Flanken war Schaum gespritzt. Es war ein anstrengender Ritt gewesen: Als Hem sie nun betrachtete, hielt er es für ein Wunder, dass sie nicht zusammengebrochen waren.
Plötzlich war alles sehr still. Die unscheinbaren Geräusche des Waldes - das Säuseln von Blättern, das Huschen kleiner Tiere -stieg allmählich rings um sie auf, und Hem nahm deutlich den Geruch der feuchten, mit verrottendem Laub angereicherten Erde unter seinen Füßen wahr. Auf einmal wurde ihm klar, dass er keine Ahnung hatte, wo Irc sich befand, und er entsandte einen dringenden Ruf. Zu seiner unaussprechlichen Erleichterung antwortete Irc sofort.
Wo seid ihr?, fragte die Krähe in klagendem Tonfall. Ich suche und suche euch schon eine ganze Weile…
Wir sind unter den Bäumen, erwiderte Hem. Wir hatten etwas Ärger. Irc gab einen Laut von sich, der für eine Krähe einem verächtlichen Schnauben entsprach. Und mir hast du aufgetragen, ich soll mich aus Arger heraushalten, sagte er.
Wir könnten immer noch in Schwierigkeiten stecken. Siehst du dort, wo du bist, irgendwelche Reiter?
Ich habe vor einer kurzen Weile einen Mann im Wald gesehen. Aber nicht dort, wo ihr seid. Sonst habe ich keine Menschen gesehen… Ich fliege weiterund halte Ausschau, dann finde ich euch…
Hem entsandte sein Bardengehör. Ein Stück entfernt vernahm er die Hufgeräusche eines oder zweier trabender Pferde.
»Ich glaube, wir haben sie abgeschüttelt«, meinte Saliman nach einem langen Schweigen. »Vorerst. Aber ich habe keine Ahnung, wo wir sind.«
Hekibel hatte sich gegen Usha gelehnt und streichelte den Hals der Stute. Bei Salimans Worten schaute sie auf. »Diese beiden sind liebe, treue Tiere«, meinte sie. »Sie sind nicht dafür geschaffen, so zu rennen.«
»Nein«, pflichtete Saliman ihr bei. »Und dennoch flogen sie dahin wie die Rennpferde der Ernani.«
»Ich dachte, unser Ende sei gekommen.« Hekibel schauderte. »Diese schrecklichen, schrecklichen Männer… Oh, und der arme Fenek …« Sie legte das Gesicht an Ushas feuchten Widerrist, und Hem wusste, sie wollte nicht, dass er oder Saliman sie weinen sahen. »Wisst ihr, es stimmt, er war seit Jahren mein Hund, seit ich ein Mädchen war«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Das hatte er nicht verdient. Er hat doch bloß versucht, mich zu beschützen.«
»Er war ein guter Hund«, sagte Hem unbeholfen und überlegte, was er empfände, wenn Irc etwas Derartiges zustieße.
»Es war so - so plötzlich.« Sie schaute auf und wischte sich über die Augen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich weiß, er war nur ein Hund, trotzdem habe ich ihn geliebt. Jetzt sind alle tot, mit denen ich gereist bin. Außer Usha und Minna.« Düsteres Schweigen setzte ein.
»Wie konnte er ihn so töten?«, fragte Hekibel nach einer Weile. »War dieser Mann ein Untoter?«
»Er war ein Barde«, antwortete Saliman mit harter Stimme. »Obwohl ich persönlich finde, dass seinesgleichen diesen Titel nicht verdienen. Jedenfalls ist er jetzt kein Barde mehr.«
»Hast du ihn getötet?«, fragte
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