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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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sich auf die Arme und zwang sich, die Lider offen zu halten. Mit brennenden Augen starrte er in die Nacht. Nach und nach wurde der Himmel heller, als die Sichel des Mondes höher stieg, klein und strahlend wie poliertes Silber.
    Der Schlaf rollte durch seinen Körper wie eine unaufhaltsame Welle. Er rieb sich die Augen und kniff sich. So müde konnte er nicht sein. Er hatte schon oft nach langen, erschöpfenden Tagen Wache gehalten, sein Körper war daran gewöhnt. Zudem fühlte es sich hier keineswegs sicher an, auch wenn er und Saliman mit eichten Schwierigkeiten sowohl einen Glimmerschleier als auch einen Schild angefertigt hatten, um ihre Gegenwart sowie jegliche Spuren von Magie zu verbergen. Seine Nerven pulsierten vor Anspannung. Dennoch fühlten sich seine Lider schwer wie steine und seine Augäpfel so an, als wären sie in heißem Sand gerollt worden.
    Gewiss konnte es nicht schaden, die Augen zu schließen, nur eine kurze Weile, um sie zu entlasten … Verzweifelt kämpfte er gegen die Stimme an, die in seinem Kopf flüsterte: Es kann nicht schaden, es wäre eine Wonne; einfach die Augen schließen, nur ganz kurz …
    Hem ergriff seine Wasserflasche und kippte sich den Inhalt über den Kopf. Das Wasser war bitterkalt, und er sog scharf die Luft ein, aber es weckte ihn. Hem schüttelte sich wie ein Hund die Haare. Irgendein Sinn erfüllte ihn mit einem plötzlichen, prickelnden Bewusstsein, und er sah sich wachsam um wie ein Reh, das einen Jäger wittert.
    Er konnte weder etwas sehen noch hören, aber jemand befand sich in der Nähe. Sehr nah. Hem vermochte nicht zu sagen, woher er es wusste: Er roch weder Magie noch Hexerei, und auf ‘dem Boden unter den Bäumen herrschte Stille. Dennoch verriet ein tieferes Bewusstsein ihm, dass etwas näher und näher an die Bäume heranschlich, unter denen sie sich versteckten.
    In seinem Geist stieg die lebhafte Erinnerung an die quälenden Spiele auf, die er in Nal-Ak-Burat über sich ergehen lassen musste, als Hared ihn und Zelika für ihre Spitzelmission in der “Nähe von Den Raven ausgebildet hatte. Hared hatte sie in einem völlig dunklen Raum stehen und versuchen lassen, einander zu fangen. Bei diesen Spielen hatte Hem seinen Herzschlag so laut wie einen Hammer empfunden, und das Fließen seines Blutes orte sich in der Finsternis wie das Rauschen eines Stromes an. Nun war es dasselbe. Die nächtlichen Geräusche des Waldes konnte er nicht mehr hören, weder die Rufe der Eulen noch das ferne Gurgeln des Baches. Alles, was er vernahm, war das Pulsieren seines eigenen Blutes in seinen Ohren.
    Er saß völlig still und lauschte angestrengt; dabei durchströmte erneut das Verlangen nach Schlaf seinen Körper wie das Summen eines Bienenstocks im Sommer, wie das Schwappen von Wellen eines Sees, der sich golden im Licht des Abends abzeichnete. Nun flüsterte die Stimme, leise und dunkel wie von der Sonne gewärmter Honig, von den trüben Schatten in den Gesimsen des Schlafpalastes, die den Schlummernden mit ihrem Segen küssten.
    Hems Lider wurden wieder schwer, und er begann einzunicken, doch sein Wille riss ihn ruckartig zurück in den Wachzustand. Es ist ein Zauber, sagte eine andere Stimme in ihm, eine störrische Stimme, die er als seine eigene erkannte. Es ist ein Zauber, und jemand wirkt ihn. Jemand, der weiß, dass du hier bist. Sobald er dies begriff, fiel die Sehnsucht nach Schlaf von ihm ab. Der Zauber wirkte nicht mehr bei ihm, wenngleich Hem nach wie vor die verführerische Stimme in seinem Ohr flüstern hörte. Dies war keine Hexerei. Es war Bardenmagie. Ein Barde aus Desor - ein Barde wie jener, den Saliman zuvor an jenem Tag getötet hatte, ein Barde, der die tiefe Treue des Lichts verraten hatte näherte sich, doch Hem konnte keinerlei Anzeichen von Bewegung sehen oder hören. Sehr langsam, um kein Geräusch zu verursachen, schlang Hem die Hand um den Griff seines Kurzschwerts und löste es in der Scheide, sodass er in einer einzigen Bewegung aufspringen und es ziehen könnte.
    Wenn derjenige in den Schild liefe, den er und Saliman angefertigt hatten, würde dessen Magie den Unbekannten sichtbar machen, ganz gleich, mit welchem Bann er sich gegenwärtig vor Hems Augen verbarg. Das Herz des Jungen erbebte bei dem Gedanken, dass dieser Barde irgendwie all ihre eigenen Verschleierungen durchschaut haben musste. Wer immer es sein mochte, wusste, wo sie sich befanden. Hem hatte keine Ahnung, wie das möglich war: Er besaß große Erfahrung im Anfertigen

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