Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und uns sowohl wegen eines Pferdes als auch eines Schwertes an Indik wenden«, schlug Cadvan vor und stand auf, um ihre Teller einzusammeln.
»Ich wünschte, ich hätte Imi.« Traurig dachte Maerad an die Stute zurück, die sie quer durch Annar getragen und ihr eine liebe, sanftmütige Freundin gewesen war. »Sie ist bei den Pilanel. Sie sind gut im Umgang mit Tieren, insbesondere mit Pferden, du brauchst dir also keine Sorgen um sie zu machen. Es wäre ein ziemlicher Umweg, nach Norden über die Berge zu reisen, um sie zu holen.« Maerad wusste, dass Cadvan recht hatte, dennoch bedauerte sie den Verlust ihres Pferdes. Monatelang hatte es nur sie vier gegeben: Cadvan, Maerad, Darsor und Imi. Es würde sich seltsam anfühlen, ein anderes Tier zu bekommen.
Cadvan wollte immer noch, dass Maerads Anwesenheit in Inneil so geheim wie möglich gehalten wurde, weshalb er darauf bestand, dass sie das Bardenhaus dick vermummt verließ. Maerad begehrte nicht dagegen auf: Obwohl draußen Sonnenschein herrschte, war die Luft unbewegt und kalt.
Zuerst begaben sie sich zu Indik, den Schwert- und Rittmeister von Inneil. Bei ihrem letzten Besuch hatte Maerad ihn beinah gehasst. Ungeduldig hatte er ihr die Grundzüge der Schwertkunst beigebracht. Doch auch wenn sie auf ihn geflucht hatte, so hatte sie ihm schon damals widerwillig Respekt gezollt; er mochte sich barsch gebärdet haben, aber nicht ohne Grund. Später hatte sie eine andere, herzlichere Seite von ihm kennen gelernt, und mittlerweile hatte sie ihn in lieber Erinnerung.
Indiks Haus befand sich am äußeren Rand der Schule. Maerad empfand es als pure Wonne, über die kopfsteingepflasterten Straßen zu gehen und die Gebäude zu begrüßen, die ihr so vertraut erschienen, obwohl sie in Wahrheit nur kurz hier gelebt hatte. Die Gärten präsentierten sich winterlich, da die Bäume noch keine Blätter trugen, dennoch war Inneil wunderschön. Maerad hatte das Gefühl, diese Schönheit einzuatmen, als hätte sie danach gehungert.
»Es ist seltsam«, meinte sie nachdenklich zu Cadvan. »Im Norden habe ich so viele Dinge gesehen, die ich nie vergessen werde. Ich sah die Schneeländer von Hramask unter der Wintersonne, die Meere des Nordens mit ihren Bergen aus Eis, die wie die fremdartigsten Burgen anmuten, die man je gesehen hat, und ihre Inseln aus Eis und Feuer. Ich sah die Himmelstänzer am Firmament. Aber das hier -« Sie deutete auf ein Haus, an dem sie gerade vorbeigingen, mit breiten, flachen Stufen, die zu einer mit eingravierten Blättern verzierten Tür hinaufführten. »Das hier ist anders …«
Cadvan sah sie an. »Es gibt eine von Menschen geschaffene Schönheit, die unseren Bedürfnissen entgegenkommt«, sagte er. »Vielleicht dem Bedürfnis nach einem Zuhause.«
Zuhause. Maerad rollte das Wort auf der Zunge herum. Ja, nach Inneil zu kommen, fühlte sich wie eine Rückkehr nach Hause an. »Ich habe kein Zuhause«, sagte sie. »Das war Pellinor, und das habe ich vor langer Zeit verloren.« »Dies hier ist immer noch dein Volk«, erwiderte Cadvan. »Inneil liegt nicht weit von Pellinor entfernt. Und es ist der Ort, in dem sich offenbart hat, was in dir steckt. Es ist keineswegs überraschend, dass du ihn liebst.« Mit strahlender Miene sah er sich um. »Eines Tages musst du mit nach Lirigon kommen, der Stätte meiner Geburt«, sagte er. »Dort sind die Häuser aus dunklem Stein errichtet und haben rote Tonziegel. Der Marktplatz von Lirigon ist berühmt für seine Töpferwaren. In der Nähe des Lir gibt es hervorragenden Lehm.«
Maerad erwiderte nichts. Zunächst hob der Gedanke, mit Cadvan Lirigon zu besuchen, ihre Stimmung, doch die Erwähnung der Stadt weckte auch eine dunkle Erinnerung. Auf der Straße nach Lirigon, als sie und Cadvan vor einer scheinbaren Ewigkeit in Richtung Norden unterwegs gewesen waren, hatte Maerad eine Bardin getötet, Ilar von Desor, die mit einem Barden aus Lirigor gereist war, Namaridh. Der Vorfall hatte Cadvan und sie zutiefst voneinander entfremdet, was später zu einer Katastrophe geführt hatte.
»Ich glaube nicht, dass ich Lirigon je besuchen kann«, meinte Maerad schließlich. »Auf meiner Seele lastet eine dunkle Schuld.«
Überrascht blickte Cadvan sie an. Seit ihrer erst vor so kurzer Zeit erfolgten Wiedervereinigung hatten sie nicht über den Mord gesprochen; allein der Versuch hatte zu schmerzlich geschienen. »Das stimmt, Maerad«, pflichtete er ihr bei. »Du wirst dich dem
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