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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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waren ein wenig zu früh dran, doch vor dem Wagen hatten sich bereits Leute eingefunden. Die Bühne war verwaist, der Vorhang geschlossen, aber die Schauspieler hatten Glück mit dem Wetter: Es war kalt, aber klar, und der Wind war gänzlich abgeflaut. Saliman fand einen Platz ziemlich weit vorne und schickte Hem in ihre Zimmer, um Kissen zu holen. »Ich habe keine Lust zu stehen«, sagte er. »Und auf dem Stein zu sitzen wäre höchst ungemütlich. Ich halte den Platz frei.«
    Hem grinste, rannte los und kehrte wenig später mit dicken Kissen für sie beide zurück. Sie setzten sich und machten es sich bequem. Hem ließ den Blick neugierig über die wachsende Menge wandern. Sie erwies sich als ausgesprochen gemischt und beinhaltete Menschen jeden Alters, Stadtbewohner und Bauern, Barden und Handwerker, außerdem viele Kinder. Ganze Familien trafen ein, bewaffnet mit Körben voll Essen, Getränken, Decken und Kissen, und im Kreis erhob sich ein aufgeregtes Stimmengewirr. Die Kunde hatte sich eindeutig in ganz Til Amon verbreitet.
    »Hekibel sagte, sie hoffen auf eine Menge Leute«, meinte Hem.
    »Vermutlich fühlen sich alle hier so wie wir«, erwiderte Saliman. »Sie brauchen eine Auszeit vom ständigen Gerede über Krieg. Das Licht weiß, von nun an werden die Dinge noch früh genug düster …«
    Vor Ungeduld brennend wartete Hem. Aus dem Turm der Bibliothek erklang der vierte Glockenschlag, und immer noch teilte sich der Vorhang nicht. Der Wagen sah aus, als befände sich niemand darin. Dann senkte sich aus keinem für Hem ersichtlichen Grund Schweigen über die Menge, begleitet von einem Gefühl freudiger Erwartung. Hem blickte sich um - was hatten sie gesehen, das ihm entgangen war? Gerade wollte er sich Saliman zudrehen, als er eine Hand am Vorhang erblickte, die im Begriff war, diesen aufzuziehen. An der Art, wie die Finger sich einen Hauch übertrieben um den Stoff schlossen, erkannte Hem, dass es Karims Hand sein musste. Hem hielt den Atem an, und Karim betrat langsam die Bühne. Sein Gesicht war bemalt - die Augenbrauen waren tiefschwarz, die Augen mit Kajal nachgezogen, und die Haut schimmerte weiß. Die Zuschauer jubelten; Karim vollführte eine der ihm eigenen blumigen Verbeugungen und räusperte sich. Sofort verstummte die Menge wieder.
    »Liebe Leute von Til Amon«, begann er und ließ seine Stimme mühelos über den Kreis schallen. »Wir fühlen uns stolz und geehrt, euch heute die Geschichte von Alibredh und Nalimbar vorzuführen, wie sie aus der Feder der unsterblichen Lorica floss, der großen Bardin aus Turbansk.«
    Weiterer Jubel brandete auf, und Karim hob eine Hand, um sich Schweigen auszubedingen. »Ich danke euch, liebe Leute, ich danke euch. Bitte beachtet insbesondere, dass wir nach dem Ende der Vorstellung einen Korb herumreichen werden: Wenn wir euch Vergnügen bereitet haben, ersuche ich euch, demütig zu spenden, was ihr euch an Münzen leisten könnt, um uns unsere bescheidene Kunst zu ermöglichen. Und nun präsentieren wir euch ohne weitere Vorreden Alibredh und Nalimbar!«
    Als er das Stück ankündigte, kamen Marich und Hekibel hinter dem Vorhang hervor. Auch ihre Gesichter waren bemalt, und sie trugen lange blaue Roben, die ihre Jugend und ihre adelige Abstammung versinnbildlichten. Hekibel begann mit der Eröffnungsrede, in der Alibredh von ihrem ersten Anblick Nalimbars berichtete, dem Sohn einer Familie, mit der ihre eigene Familie eine erbitterte Fehde hatte, und von ihrer augenblicklichen Liebe für ihn. Hem saß wie gebannt da. Atemlos verfolgte er die Geschichte: der böse - von Karim verkörperte - Horas, jener reiche Freier, der entschlossen war, Alibredh gegen ihren Willen zu ehelichen, um an ihr Erbe zu gelangen; die geheimen Stelldicheins der Liebenden und ihr zum Scheitern verurteilter Versuch, auszureißen; der schreckliche Kampf zwischen Nalimbar und Horas, bei dem Nalimbar überlistet wurde, eine tödliche Wunde erlitt und in Alibredhs Armen starb.
    Hem begeisterte die Fähigkeit der Schauspieler, ihn an das glauben zu lassen, was sie vorführten, obwohl sonnenklar war, dass sie es nur vorgaben. Jeder Schauspieler schlüpfte in mehrere Rollen, wobei die Veränderung durch das Anlegen eines neuen Gewands oder das Aufsetzen einer Krone oder eines anderen Huts angezeigt wurde. Barden, dachte Hem, hätten einfach Trugbanne eingesetzt, um die Menschen zu werden, die sie darstellten, doch irgendwie erschien ihm diese Illusion nachhaltiger: Ihn bezauberte die Kunst der

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