Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
ausgebrochen war. Er holte tief Luft und beschloss, seinen Beinen keine Beachtung zu schenken. Ungeduldig bahnte er sich einen Weg durch die Menge nach vorne, um einen klaren Blick darauf zu erhalten, was vor sich ging.
Karim stand in eine lange purpurne Robe gekleidet auf der Bühne, die von der Seite des Wagens herabgelassen worden war. Er war bereits voll zugange, allerdings handelte es sich nicht, wie Hem erwartet hatte, um eine Rede gleich jener, die er im Lager vorgetragen hatte. Stattdessen pries er sein Angebot an wie ein Topfverkäufer auf dem Markt. Hem war enttäuscht, lauschte aber trotzdem.
»Aus dem fernen Elevé, liebe Leute, sind wir durch Ödland und Wildnis gereist, um euch unser Gewerk und unser Können zu bieten«, sagte Karim. »Zuvor haben wir unter Beifall in den großen Schulen im Osten gespielt, in großen Städten und in kleinen Dörfern; wir haben Reiche ebenso wie Bettler erfreut, Barden ebenso wie Spielleute. Wir bringen euch die großen Werke der großen Dichter zu eurem Vergnügen und eurer Verzückung …« Und so weiter. Irc flog gelangweilt davon, um die Gegend zu erkunden, und Hem fiel auf, dass die Menge ein wenig unruhig wurde. Doch Karim war ein viel zu erfahrener Redner, um es nicht selbst zu bemerken, und er setzte Zeichen, dass er im Begriff war, seine Ansprache zu beenden. »Und so, liebe Leute, bescheren wir euch zum vierten Glockenschlag und mit dem Segen Nadals , des Obersten Barden höchstpersönlich, eine von Loricas größten Tragödien: die zeitlose Liebesgeschichte von Alibredh und Nalimbar von Jerr-Niken. Und nun, liebe Leute, hoffe ich, euch dann zu sehen. Bringt eure Freunde mit, eure Familien, erzählt jedem davon, den ihr kennt - sogar Leuten, die ihr nicht kennt -, denn dies ist fürwahr ein rares Kleinod, das selten zur Aufführung gelangt ! Nun danke ich euch für eure Zeit. Gehabt euch wohl ! « Damit verneigte Karim sich blumig, ehe er hinter den roten Vorhängen verschwand. Fürs Erste war die Vorstellung vorüber.
Vereinzeltes Klatschen und die Geräusche von Unterhaltungen setzten ein, und Hem hörte, dass einige Leute vorhatten, sich für die Vorstellung zu treffen. Der Zeitpunkt war klug gewählt: Es würde noch hell sein, sie würden vor dem Abendessen auftreten, und die meisten Menschen würden ihre tägliche Arbeit beendet haben.
Hem bahnte sich einen Weg zur Vorderseite des Wagens und streichelte die Pferde. Er wollte sehr gern Hekibel sehen, fühlte sich jedoch plötzlich unerklärlich schüchtern. Gerade als er gehen wollte, stieg Hekibel aus dem Wagen. Sie trug einen Mantel und einen Korb und sah aus, als sei sie im Begriff, einkaufen zu gehen, doch sie bemerkte Hem sofort und begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln. Schlagartig fiel alle Scheu von Hem ab, und er grinste zurück.
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Barde bist«, sagte sie. »Du siehst völlig anders aus - beinah hätte ich dich nicht erkannt.«
Hem blickte auf seine Jacke hinab, die er sich an diesem Vormittag aus Edadhs Haus geborgt hatte. »Die gehört mir nicht, ich muss sie zurückgeben«, erwiderte er. »Aber du bist trotzdem ein Barde?« Hem nickte. »Und deine Freunde auch?« Abermals nickte Hem. Hekibel seufzte, als bedauerte sie etwas. »Ich hätte es mir denken können. Naja. Und wo ist dein Vogel?«
»Auf Erkundungsflug«, antwortete Hem. »Er wird später zurückkommen. Hier gibt es einige Vögel, die er noch nicht gepiesackt hat.«
»Ist er ein Raufbold?«
»Nun, weniger ein Raufbold als vielmehr ein Aufschneider.«
»Ich habe gehört, dass Barden mit Tieren sprechen können«, sagte Hekibel. »Sprichst du mit deinem Vogel?«
»Ja, Irc und ich sind Freunde. Er ist eigentlich kein Haustier.«
Es entstand ein kurzes verlegenes Schweigen, und Hem überlegte, ob er sich lieber verabschieden sollte. »Jeder hier redet von der Schwarzen Armee, die gegen Til Amon marschiert«, meinte Hekibel schließlich. »Ihr seid also rechtzeitig eingetroffen. Die Menschen hier sind sehr beschäftigt. Und ich danke dir, dass ihr uns gewarnt habt… Wir hätten in einen schlimmen Schlamassel geraten können!«
»Aber ihr seid trotzdem hergekommen, um euer Schauspiel aufzuführen«, erwiderte Hem.
»Nur für kurze Zeit.« Hekibel bedachte Hem mit einem nüchternen Blick, als wöge sie ihn ab. »Nun junger Herr, hast du gerade nichts zu tun? Ich muss einen Markt finden und könnte jemanden gebrauchen, der mir hilft, den Korb zu tragen.«
Hem nahm ihr den Korb höflich
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