Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
etwas anderes zu bestellen«, gab Hem zurück. »Jedenfalls bin ich sehr hungrig.«
»Dann hätten wir das geklärt«, meinte Soron, winkte Emil herbei und bestellte einen weiteren Krug Wein sowie ihre Mahlzeiten. Die Suppe erwies sich als so gut, wie Soron versprochen hatte; sie duftete köstlich und war dick, gekrönt mit einer Lage herrlichem Schmelzkäse, und Hem aß ausnahmsweise langsam, um den erlesenen Geschmack zu genießen. Soron speiste nachgerade andächtig. »Ein Meisterwerk!«, befand er und wischte sich den Mund ab. »Und ein geeigneter Weg, um unseren Abschied zu segnen, denn ich vermute, dass unsere Weg sich nun trennen werden. Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr morgen aufbrecht? Viel Zeit bleibt jedenfalls nicht.«
»Ja«, bestätigte Saliman. »Frühmorgens.«
»Ich muss gestehen, dass ich bedauere, deine Gesellschaft zu verlieren, Saliman. Und wir könnten deine Hilfe hier gebrauchen. Ich bin überzeugt, dass uns ein harter Kampf bevorsteht.«
»Das befürchte ich auch. Aber ich denke - und hoffe -, Nadals Überzeugung, dass Til Amon gegen die Schwarze Armee bestehen kann, ist berechtigt. Allerdings haben wir beide gesehen, was ihm bevorsteht, er hingegen nicht.«
Soron blickte auf den Tisch hinab. »Ich möchte nicht mit ansehen müssen, wie Til Amon eingenommen wird wie Turbansk«, erwiderte er nüchtern. »Und ich befürchte es, Saliman, ich befürchte es stark. So viel Licht und Schönheit und Liebe sind in Gefahr, an so vielen Orten. Und nicht zuletzt ihr beide - es widerstrebt mir zutiefst, euch aufbrechen zu lassen, obwohl ich weiß, dass ihr das müsst und ohnehin niemand irgendwo sicher ist, solange die Welt sich so wie jetzt dreht.« Saliman erwiderte nichts, sondern ergriff stattdessen Sorons Hand. Soron schaute auf, und Hem erkannte bestürzt Tränen in seinen Augen. Schweigend saß Hem da und wusste nichts zu sagen; ihm fiel nichts ein, das Soron oder ihn selbst zu trösten vermocht hätte.
»Ach«, stieß Soron ungeduldig hervor und wischte sich über die Augen. »Das ist nicht die Zeit für Tränen.«
»Wenn jetzt nicht die Zeit für Tränen ist, dann wüsste ich nicht, wann sonst«, entgegnete Saliman mit einem schiefen Lächeln. »Ich werde dich vermissen, mein Freund.«
»Und ich dich. Ich schwöre, wenn all das vorüber ist, genießen wir zusammen einen Krug Wein.«
»An diesem Gedanken will ich festhalten. Wir werden einander wiederfinden, Soron.«
Bald danach kehrten sie durch die Straßen von Til Amon zum Bardenhaus zurück. Es war eine dunkle Nacht: Wolken überzogen den Himmel, und im Wind lag der Geruch von Regen. Niemand sprach, und Hem empfand ihre von den Wänden widerhallenden Schritte als das traurigste Geräusch, das er je gehört hatte. Als sie die Tür des Bardenhauses erreichten, sprang Irc auf Sorons Unterarm. Das hatte er noch nie zuvor getan, und Hem sah ihn überrascht an; Ircs Vorstellung von der Zukunft war etwas schwer abzuschätzen, und Hem war nicht sicher, ob die Krähe verstand, dass sie Soron zurücklassen würden, wenn sie Til Amon verließen. Irc rieb den Kopf an Sorons Brust. Ich werde dich sehr vermissen, sagte er. Ich dich auch, du Gauner, erwiderte Soron innig. Ich verlasse mich darauf, dass du auf Hem aufpassen wirst. Und wir werden uns wiedersehen.
Irc piekte Soron sanft in die Nase. Er wäre verloren, wenn ich es nicht täte. Ich werde mich gut um ihn kümmern.
Hem weinte nicht, als er sich von Soron verabschiedete. Stattdessen hielt er ihn lange fest und wünschte, er hätte die rechten Worte, um auszudrücken, was er fühlte. Erst als er in der dunklen Abgeschiedenheit seines Zimmers lag, weinte er lange Zeit.
Saliman weckte ihn vor dem ersten Tageslicht am folgenden Morgen. Hem hatte bereits gepackt und musste nur noch in seine Kleider schlüpfen. Er rief Irc, blieb noch einen Augenblick in der Tür seiner Kammer stehen und blickte zurück: Wie viel Zeit würde verstreichen, bis er wieder in einem Bett schlafen würde? »Ich habe Nadal noch nicht gedankt oder mich von ihm verabschiedet«, sagte er, als er sich mit Saliman den Weg nach unten bahnte. Saliman hatte sich ein Bündel über den Rücken geschlungen, das sich als Seidenzelt für zwei Leute erwies. Es war praktisch wasserdicht, sehr leicht zu tragen und einfach zu verstauen, zudem sollte es überraschend viel Wärme im Inneren halten.
»Ich habe das letzte Nacht an deiner statt erledigt«, erwiderte Saliman, als sie die Treppe hinabstiegen. »Ich war sehr
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