Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Vordach der Schänke, um in langen, bedächtigen Zügen die kalte Luft einzuatmen. Irc plusterte sein Gefieder auf, dann schmiegte er sich wieder dicht an Hems Hals. Ich weiß nicht, warum du dieses Zeug trinkst, sagte er.
Es schmeckt mir, erwiderte Hem und hickste.
Menschen sind dumm.
Hem verkniff es sich heldenhaft, Irc daran zu erinnern, das er beim letzten Mal begeistert an Hems Bier genippt und in fast so übler Verfassung wie Hem selbst geendet hatte. Es erschien nicht wert, darüber zu zanken. Tatsache allerdings war, dass Hem die Krähe sogar aus einem regelrechten Todeskampf mit ihren eigenen Beinen befreien musste. Er öffnete gerade den Mund, um seine Gattung zu verteidigen, als er jäh innehielt, da ihm zwei Leute auffielen, die unter einem Lindenbaum ein Stück entfernt Zuflucht gesucht hatten. Es war zwar sehr dunkel, dennoch war er aufgrund der Haltung und Umrisse einer der beiden Gestalten überzeugt davon, dass es sich um Karim handelte. Eine gewisse Verstohlenheit in seinem Gebaren erregte Hems Aufmerksamkeit. Ja, Vögel sind viel klüger, fuhr Irc fort, der offenbar in reizbarer Stimmung war. Ihr Menschen …
Pst, fiel Hem ihm ins Wort und hielt den Schnabel der Krähe mit den Fingern zu. Ist das Karim ?
Irc legte den Kopf schief und wirkte neugierig. Karim ?
Hem öffnete sein Bardengehör. Nun vernahm er die Stimmen der beiden Gestalten, wenngleich er durch das heftige Prasseln des Regens ärgerlicherweise nicht verstehen konnte, was sie sagten. Eine der beiden war zweifelsfrei Karim. Etwas an der anderen Gestalt gefiel Hem ganz und gar nicht.
Warum steht Karim hier draußen in der Dunkelheit und unterhält sich mit einem Fremden ?, fragte Hem.
Weil er dumm ist wie alle Menschen, gab Irc zurück. Genau, wie ich sagte. Während Hem die beiden Gestalten beobachtete, sah er, wie die andere, ein Mann, Karim etwas gab, und hörte ein leises Klimpern. Gewiss wurden Münzen überreicht. Dann verabschiedete Karim sich offenbar auf eine für ihn ungewöhnliche, unterwürfige Weise unter allerlei Verbeugungen und mit auf und ab wackelndem Kopf. Der Anblick verursachte Hem ein ungutes Gefühl, und er stellte fest, dass er plötzlich stocknüchtern war. Er wollte nicht dabei ertappt werden, dass er die beiden bespitzelt hatte, und als Karim sich in seine Richtung drehte, zog er sich ungeachtet Ircs Widerspruchs hastig in die Schänke zurück. Nach der friedlichen Ruhe draußen empfand er den Lärm und den Mief als überwältigend, und er kam einen Moment ins Taumeln, als er spürte, wie der Wein seine Sinne wieder vernebelte. Zuerst konnte er Saliman nicht ausmachen, während er sich durch die Menge drängte und Irc sich klagend an seine Schulter klammerte. Hinter sich hörte er, wie die Tür sich öffnete und wieder schloss, dann strömte ein kalter Luftzug an ihm vorbei. Zweifellos war Karim gerade zurückgekehrt. Hem widerstand dem Drang, sich umzudrehen, um sich zu vergewissern. Mittlerweile hatte er Saliman in der Nähe des Kamins entdeckt, wo er in eine angeregte und vergnügte Unterhaltung mit Thorkul und einer Gruppe weiterer Dorfbewohner vertieft war.
Saliman besaß die Gabe des Liebreizes; die Menschen fühlten sich durch seine Ungezwungenheit und seine Anmut zu ihm hingezogen. Kurz zögerte Hem, weil er nicht stören wollte; Saliman wirkte so unbesorgt wie schon lange nicht mehr. Zum ersten Mal kam Hem der Gedanke, dass auch Saliman es genoss, so zu tun, bloß ein Schauspieler einer wandernden Truppe zu sein, dessen Verantwortung sich nur jeweils bis zum nächsten Dorf und zum nächsten Auftritt erstreckte. Vermutlich wünschte auch er sich bisweilen eine Auszeit von der Bürde, das Licht zu verteidigen.
Seufzend drängte Hem sich vor, bis er neben Saliman stand, dann sagte er in dessen Geist: Saliman?
Ohne die Aufmerksamkeit von einer deftigen Geschichte zu lösen, die unter allerlei Gelächter von Givi zum Besten gegeben wurde, antwortete Saliman sofort aufmerksam: Was ist denn los?
Nicht hier, gab Hem zurück.
Saliman bedachte ihn mit einem jähen Blick. Tu so, als wärst du betrunken, forderte er ihn auf.
Hem stolperte ein wenig und zupfte an Salimans Ärmel. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer, Betrunkenheit vorzutäuschen; der Petersilienwein strömte berauschend durch seine Adern, zudem war es in der Schänke äußerst heiß und geräuschvoll.
»Hem, Junge, du musst dich doch nicht etwa übergeben?«, fragte Saliman laut. Hem nickte trübselig, während die Dörfler gutwillig
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