Die Pelzhändlerin (1. Teil)
den laut schreienden Säugling in warme, weiche Tücher.
«Ein Junge ist es, Maria. Hörst du, ein Junge. Stramm und gesund», sagte sie und machte Anstalten, dem Mädchen das Kind in den Arm zu legen. Maria brach wieder in Tränen aus.
«Nein, nein, ich will den Balg nicht sehen. Ich will ihn nicht. Nehmt ihn, Meisterin. Er gehört jetzt Euch.» Trotz ihrer Erschöpfung kamen die Worte mit großer Entschlossenheit. Dann schloss Maria die Augen, um nichts mehr zu sehen und zu hören.
Die Hebamme sah Sibylla fragend an. Dann versorgte sie das Mädchen, das tat, als ob es tief und fest schliefe.
Sibylla aber hatte den Jungen im Arm und betrachtete ihn ausführlich. Schön war er nicht. Schon jetzt war die aufgeworfene Nase Schierens deutlich an ihm zu erkennen, doch dafür konnte er ja nichts.
Behutsam fuhr sie mit dem Finger über die verschmierte Wange. Die Hebamme trat an sie heran.
«Wir werden das Kind in der Küche baden», flüsterte sie. «Maria braucht Ruhe. Soll sie sich ausschlafen. Ich schaue später nach ihr.»
Behutsam, als hielte sie einen Korb roher Eier, brachte Sibylla den Säugling in die Küche. Die Hebamme badete das Kind, untersuchte es noch einmal nach Auffälligkeiten, dann nickte sie mit dem Kopf.
«Es ist alles in Ordnung. Ein gesunder, kräftiger Knabe. Doch Maria gefällt mir nicht. Sie lehnt das Kind ab. Wisst Ihr, warum das so ist?»
«Sie ist nicht ganz freiwillig zu dieser Schwangerschaft gekommen», erklärte Sibylla knapp.
Die Hebamme wiegte sorgenvoll den Kopf. «Sie wird ihn nicht annehmen. Was soll aus ihm werden?»
Sibylla betrachtete den Jungen, der ruhig auf einem Fell lag und schlief, ein winziges Fäustchen fest gegen den kleinen Mund gepresst.
«Ich werde das Kind aufziehen», sagte sie und blickte der Hebamme fest in die Augen. «Dankbar wäre ich, wenn Ihr eine Amme wüsstet.»
Die Hebamme nickte. «Das wird das Beste sein. Doch was wird aus Maria?»
«Für ihr Auskommen sorge ich. Sie wird bei mir arbeiten, wird seine Kinderfrau sein.»
Die Hebamme erschrak. «Um Himmels willen nicht. Sie lehnt das Kind ab, wird ihm keine gute Kinderfrau sein können. Sucht Euch eine andere, ich bitte Euch.»
Sibylla bejahte. «Ja, Ihr habt Recht. Das wird wohl das Beste für alle sein.»
In ihrem Kopf reifte bereits ein neuer Plan.
Zwei Wochen später kehrten die beiden Frauen mit dem Säugling in die Krämergasse zurück. Die Amme, ein kräftiges junges Mädchen mit vollen Brüsten, nahmen sie mit. Sie würde für den Jungen sorgen, während Sibylla und Maria ihrer Arbeit nachgingen.
Die Amme ahnte nicht, dass Maria die Mutter des Kindes war. Niemand wusste das außer der Hebamme und der Bäuerin. Doch sie waren gut bezahlt worden, lebten außerdem weit weg von Frankfurt. Maria hatte sich weiterhin geweigert, das Kind auch nur anzusehen.
«Eine Last ist von mir genommen, und ich bin voller Dankbarkeit, dass mein Leib wieder mir gehört», hatte sie entschieden gesagt. «Am liebsten würde ich vergessen, dass ich jemals schwanger war.»
«An mir soll es nicht liegen», erwiderte Sibylla. «Du weißt selbst, dass du besser daran tust, Stillschweigen zu bewahren.»
Heinrich, Barbara und die anderen in der Krämergasse hatten für Sibylla und das Neugeborene einen würdigen Empfang vorbereitet. Eine Kammer für die Amme war hergerichtet worden, Sibylla wurde mit Glückwünschen überschüttet, der Junge bekam Decken aus Fell und sein erstes Pelztierchen, das Heinrich selbst gefertigt hatte.
Schon am ersten Sonntag wurde das Kind in der Liebfrauenkirche auf den Namen Christoph getauft. Christoph Schieren, Sohn der Sibylla und des Wolfgang Schieren. Zu Taufpaten wurden die Ratsherrin Willmer und der Zunftmeister der Goldschmiede Markus Harms bestimmt.
Christoph war noch keine vier Wochen alt, als der Alltag in der Krämergasse wieder Einzug gehalten hatte und Sibylla mit seinen Sorgen, Problemen und Geschäften in Atem hielt.
Die Amme kümmerte sich um das Kind, es wuchs und gedieh prächtig, doch Maria machte Sibylla Sorgen. Schwermütig und lustlos lief sie im Haus umher, bereit, bei der kleinsten Kleinigkeit in Tränen auszubrechen.
«Was hast du, Maria?», fragte Sibylla.
«Der Fastnachtskuss der Krähe», flüsterte das junge Mädchen. «Der Kuss war es ganz sicher, der bewirkt hat, dass ich das Kind nicht lieben kann. Ich bin eine schlechte Frau, nicht wert, bei Euch zu leben. Verhext bin ich, habe den Teufel im Blut. Seit der Fastnacht, seit dem Kuss
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