Die Pelzhändlerin (1. Teil)
leicht zu erkennen gibt.»
Sie stand auf und trat neben die Willmerin ans Fenster. «Der Schnee ist rein und weiß», sprach sie, wie zu sich selbst. «Gut geeignet, die Spuren des Teufels zu verwischen.»
Die Willmerin schrak zusammen. «Ihr habt Recht, Schierin. Das ist die einzige Erklärung.»
Ihre Stimme bebte, und auch ihr Busen wogte, als sie sich bekreuzigte. Sibylla tat es ihr nach. Die Tür des Esszimmers öffnete sich leise, und der Ratsherr betrat den Raum. Seine Frau war noch immer so betroffen, dass sie sein Erscheinen nicht bemerkte, doch Sibylla hatte aus den Augenwinkeln die große Gestalt gesehen. Aber auch sie tat, als hätte sie nichts bemerkt. Sie legte der Willmerin tröstend eine Hand auf den Arm und sagte: «Der Rat sollte etwas unternehmen. Es ist nicht gut für die Stadt, wenn sich herumspricht, dass der Teufel darin ein und aus geht. Die Messfremden werden wegbleiben. Aus Florenz hörte ich, dass einige Kaufleute bereits Anstalten treffen, auf den Messplatz in Leipzig auszuweichen.»
«Woher wisst Ihr das?»
Die dunkle Stimme des Ratsherrn dröhnte wie ein Donnerschlag durch das Zimmer. Die Willmerin schrak erneut zusammen und fuhr herum.
Der Ratsherr war näher gekommen und stand nun vor Sibylla. «Woher wisst Ihr, dass die Florentiner nach Leipzig wollen?»
«Nun», sagte Sibylla langsam. «Ich habe eine Freundin in Florenz. Lucia heißt sie. Vielleicht kennt Ihr sie sogar. Vor wenigen Jahren hat sie für einige Monate in Isaak Koppers Haus Aufenthalt genommen. Sie schrieb mir, dass auch die Florentiner Angst vor dem Teufel hätten. Gedruckte Zeichnungen werden in Florenz von Hand zu Hand gereicht. Ein Nürnberger, Albrecht Dürer mit Namen, soll sie gemacht haben. Apokalypse heißen die Blätter und zeigen den Teufel, der Tod und Verderben über das Land bringt.»
«Solche Zeichnungen gab es schon immer», erwiderte Willmer.
«Schon», gab Sibylla zu. «Doch da sich Dürer der neuen Druckkunst bedient, erfahren seine Blätter weite Verbreitung. Selbst bis nach Florenz sind sie schon gekommen.»
«Hm», machte Willmer. «Es wär wahrlich schlecht, wenn die Stadtkasse Schaden nehmen würde, weil die Messfremden wegen des Teufels nicht nach Frankfurt kämen.»
«Schnell handeln müsst Ihr», drängte Sibylla. «Schon ist es November. Bedenkt selbst, wie lange es braucht, bis eine Nachricht die Alpen überquert hat. Wenn Ihr jetzt etwas unternehmt, so könntet Ihr noch rechtzeitig nach Florenz berichten, dass in Frankfurt der Teufel ausgetrieben ist.»
Willmer betrachtete Sibylla mit einer Mischung aus Bewunderung und Misstrauen. «Ihr seid ein kluges Weib, Schierin», sagte er schließlich, doch in seinen Worten klang neben der Bewunderung auch Vorsicht.
«Der Rat wird sich noch heute Nachmittag im Römer zusammenfinden. Wir alle wissen von den blutigen Hufspuren und den anderen Ereignissen um den Gerber Thomas. Die Männer im Rat sind nicht dumm und glauben längst nicht jeden Brunnentratsch. Doch wenn es so ist, wie Ihr sagt, Schierin, wenn uns die Messfremden wegbleiben, so müssen wir handeln.»
«Die Frauen der Stadt werden es Euch danken, Ratsherr Willmer. Seht selbst, wie die Angst im Gesicht Eurer Frau geschrieben steht.»
«Ach!» Willmer machte eine wegwerfende Handbewegung. «Das Weib ist dumm. Sie fürchtet gar den Schatten an der Wand.»
«Fragt Kopper, wenn Ihr Bestätigung für meine Worte braucht. Er kennt die Florentiner besser als jeder andere in der Stadt.»
Willmer nickte und musterte Sibylla wieder voller Misstrauen. «Es ist nicht gut, wenn ein Weib so klug ist wie Ihr», sagte er, dann verließ er das Zimmer.
Kapitel 18
Am nächsten Tag war Ratssitzung. Ein große Menge hatte sich vor dem Rathaus versammelt, um den Ausgang der Sitzung abzuwarten. Sie waren alle gekommen, weil sie erfahren hatten, dass es um den Gerber Thomas gehen würde. Sibylla stand in der ersten Reihe. Sie konnte es kaum aushalten vor Spannung, doch die Ratssitzung schien sich länger als sonst hinzuziehen.
Endlich erschien der Rat und verkündete das Ergebnis seiner Beratungen. Der Gerber Thomas wurde für immer aus Frankurt ausgewiesen. Sollte er je wieder einen Fuß in Frankfurter Stadtgebiet setzen, so drohte ihm die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Sibylla war erleichtert. Jetzt war der Albtraum vorbei, und sie musste nie wieder Angst vor ihm haben. Endlich konnte sie wieder unbeschwert durch die Gassen gehen.
Sie wollte schon gehen, als sie Meister Sachs sah. Er stand
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