Die Pelzhändlerin (1. Teil)
des Thomas, habe ich keine Freude mehr gehabt.»
«Unfug!», fuhr Sibylla die junge Frau an. «Du liebst das Kind nicht, weil du den Mann nicht liebst, der es dir gemacht hat. So einfach ist das. Und deswegen ist es auch nicht mehr dein Kind, sondern meins.»
«Ich werde nie mehr ein Kind bekommen», orakelte Maria mit traurigem Blick. «Meine Seele hat der Teufel beschmutzt, als er mich küsste.»
Sibylla sah Maria prüfend an. Es muss etwas geschehen, dachte sie. Und zwar schnell. Das Mädchen ist drauf und dran, wahnsinnig zu werden. Sie musste weg von hier, an einen Ort, wo sie das Kind nicht mehr sieht. Außerdem musste dieser Thomas endlich verschwinden.
Einen Augenblick noch sah Sibylla nachdenklich ins Leere, dann tätschelte sie Maria flüchtig den Arm, schickte sie in die Werkstatt und ging in die Küche zu Barbara.
«Nun?», fragte sie die Magd. «Was gibt es Neues in der Stadt? Geht die Teufelsangst noch um? Was reden die Mägde am Brunnen?»
«Der Teufel verhält sich still. Es ist nichts passiert in der Zeit, in der Ihr nicht da wart. Der Thomas, heißt es, verlässt die Gerberei nicht mehr, und Sachs gerbt jetzt für die armen Kürschner aus der Neustadt. Die Angst ist noch da, sie lauert hinter jeder Mauerecke. Aber Ihr wisst, wie die Menschen sind. Wenn ihnen das Unglück nicht vor Augen steht, so vergessen sie es nur zu gern.»
«Und sonst?»
«Die Magd des Apothekers ist mit der Magd des Advokaten in Streit geraten. Sogar geprügelt haben sich die törichten Weiber. Um einen wandernden Gesellen soll es Streit gegeben haben. Außerdem ist der Bader Meinel betrunken in den Main gestürzt und ertrunken. Seine Leiche fand man unweit der Gerbermühle …»
«Aha», sagte Sibylla, doch sie hörte schon lange nicht mehr zu. Recht geschah es den Trunkenbolden, wenn sie ersoffen, sie hatten es nicht anders verdient. Und prügelnde Mägde hatte es schon immer gegeben und würde es auch immer geben. Sibylla hatte gehört, was sie wissen wollte. Barbara hat Recht, dachte sie. Wer das Unglück nicht vor Augen hat, der vergisst es. Also muss ich dafür sorgen, dass die Augen etwas Teuflisches zu sehen kommen.
Sibylla holte ihren Umhang, nahm einen Korb und verließ das Haus. Auf dem Markt kaufte sie einen ganzen Kalbsfuß, an dem selbst der Huf noch dran war, und zwei Liter Ochsenblut.
«Wollt Ihr eine Suppe kochen, Meisterin?», fragte die Krämersfrau. «Ja, eine gute, kräftige Suppe. Ich bin noch schwach von der Geburt, und Ochsenblut soll die Kräfte wiederbringen, hörte ich.»
«Ochsenblut?», fragte die Krämerin. «Ich habe gehört, das Blut junger Kälber wäre richtig, um wieder zu Kräften zu kommen.»
«Gut, dann füllt mir einen Liter Kalbsblut in eine Kanne.»
Dann kaufte Sibylla noch ein Huhn und alle anderen Zutaten, die in der Küche für die Zubereitung einer kräftigenden Suppe notwendig waren. Zu Hause wartete sie, bis Barbara die Küche verlassen hatte, und legte ihre Einkäufe heimlich in die Regale der großen Vorratskammer. Den Kalbsfuß aber und das Blut brachte sie unbemerkt in ihre Kammer.
Sie wartete, bis die Stadt still und dunkel im nächtlichen Schlaf lag. Als die Turmuhr elfmal schlug und der Nachtwächter gerade auf seinem Rundgang die Krämergasse verlassen hatte, hüllte sie sich in einen dunklen Umhang, packte das Blut und den Kalbsfuß in einen Weidenkorb und verließ heimlich das Haus.
Im Schutz der Hausmauern eilte sie die Krämergasse hinunter bis zur Gasse der Gerber. Der Mond leuchtete ihr den richtigen Weg zum Haus des Gerbers Sachs.
Einige Meter davor hielt sie inne, stellte den Korb ab und sah sich nach allen Seiten um. Kein Laut war zu hören, kein Mensch war zu sehen. Sibylla zog die Kapuze vorsichtshalber über ihren Kopf, dann holte sie den Kalbsfuß heraus, stippte ihn in das Blut und drückte ihn anschließend auf die Gasse. Schon war ein blutroter Hufabdruck im gestampften Lehm zu sehen. Sibylla tunkte den Fuß erneut in das Ochsenblut, und nach einer guten halben Stunde richtete sie sich auf, streckte den schmerzenden Rücken und betrachtete im fahlen Mondlicht ihr Werk. Rings um das Haus des Meisters Sachs zog sich nun eine blutige Hufspur. Eine Spur, die aussah, als wäre der Teufel selbst zu Besuch in der Gerbergasse gewesen. Sibylla lächelte zufrieden, dann nahm sie ihren Korb und machte sich auf den Weg zurück in die Krämergasse. Den Kalbsfuß warf sie unterwegs in der Gasse der Metzger in einen Abfallgraben. Das restliche Blut
Weitere Kostenlose Bücher