Die Pelzhändlerin (1. Teil)
nach der Herbstmesse zu Maria aufs Land begeben und dort das Kind zur Welt bringen. Solange in Frankfurt der Teufel sein Spiel treibt, bin ich in Ilbenstadt besser aufgehoben.»
Die Frauen nickten, und auch die Männer zeigten Verständnis. «Der Teufel, heißt es», plapperte Barbara, «holt sich die Neugeborenen und trinkt deren Blut.»
«Halt die Klappe, Barbara», wurde sie von Heinrich angefahren. «Sei still und mach der Meisterin keine Angst. Und dem Teufel will ich raten, einen Bogen um die Krämergasse zu machen, wenn er nicht mit Kürschnerfäusten Bekanntschaft schließen will.»
Die Frauen lächelten über Heinrichs Wagemut, doch es gefiel ihnen, einen Beschützer im Haus zu wissen.
Der Sommer in diesem Jahr war heiß. So heiß, dass sich selbst die Alten nicht an einen ähnlichen Sommer erinnern konnten. In den Gassen flimmerte die Hitze, die Lebensmittel in den Vorratskammern verdarben von einem Tag auf den anderen, auf den Feldern verdorrte das Korn. Selbst der Main verlor so viel Wasser, dass die Schifffahrt eingestellt werden musste. So mancher Frankfurter verlegte seine Schlafstatt in die kühlen Kellerräume, um wenigstens nachts der Hitze ein bisschen entgehen zu können. Seit Wochen war kein Tropfen mehr vom Himmel gefallen, und der Rat der Stadt hatte beschlossen, an den städtischen Brunnen nur noch zwei Eimer Wasser pro Mann und Tag auszugeben. Die Gerber mussten ihre Arbeit einstellen, ebenso die Färber. Die Badehäuser wurden geschlossen, in den Gassen stank der Abfall zum Himmel und lockte die Ratten in Scharen heran, denen die Hitze nichts auszumachen schien.
Die alten Menschen starben wie die Fliegen, und auch die Jüngeren litten unter vielerlei Beschwerden wie Schwindel und Mattigkeit. Die ganze Stadt schien in eine Art Starre gefallen zu sein. Die Karren rumpelten langsamer durch die staubigen Gassen, viele Marktstände blieben geschlossen, und selbst das Geschnatter der Mägde am Brunnen war beinahe verstummt.
«Der Teufel hat uns diese Hitze geschickt», mutmaßte Barbara und gab damit wieder, was in der Stadt getratscht wurde. «Thomas, der Gerber, hat seine Hand dabei im Spiel. Strafen will er uns. Die Schankwirte hätten ihn nicht wegschicken dürfen. Jetzt rächt er sich für die Missachtung. Den Teufel darf man nicht zu augenfällig schmähen.»
Sibylla machte die Hitze besonders zu schaffen. Sie hatte ein mit Fell gefülltes Kissen unter ihren Kittel geschoben, um die fortschreitende Schwangerschaft für alle sichtbar zu machen. Dadurch schwitzte sie noch mehr als alle anderen. Das Wasser lief ihr die Beine hinab, und ihr Kleid wies nasse Flecken unter den Achseln und auf dem Rücken auf.
«Geht aufs Land, Herrin», schlug Heinrich vor. «Dort ist die Luft noch rein und die Hitze in den Wäldern erträglicher.»
Sibylla schüttelte den Kopf. «Die Messe steht vor der Tür. Ich kann noch nicht weg, muss erst noch die Messgeschäfte erledigen.»
Doch als sowohl Heinrich als auch Barbara und Katharina in sie drangen, sich wenigstens die vielen Stunden am Stand zu ersparen, stimmte sie schließlich zu und nutzte nur die ersten Morgenstunden, um zu sehen, was die Messfremden an Neuigkeiten nach Frankfurt brachten.
Ihre eigenen Geschäfte liefen hervorragend. Meister Schulte war fleißig gewesen und hatte so viele Kleider im griechischen Stil genäht, dass Sibylla zu ihrem alten Stand noch einen weiteren daneben anmieten musste, um auch die Kleider anbieten zu können.
Immer, wenn Sibylla in seine Werkstatt kam, um die Fortschritte ihrer Stieftochter Susanne, die nun als Lehrmädchen bei ihm war, zu begutachten, hatte der Meister beste Laune.
Es schien, als hätte die Vereinbarung, die er mit Sibylla getroffen hatte, ihn um Jahre jünger gemacht. Heiter und mit großer Ruhe und Sorgfalt ging er seiner Arbeit nach und achtete darauf, dass die Kleider von hervorragender Machart und bester Verarbeitung waren. Ebenso besonnen besorgte er den Messestand und konnte sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Es war inzwischen kein Geheimnis mehr, dass Meister Schulte ausschließlich für Sibylla nähte, doch noch immer wusste niemand, dass ihr auch die Gewandschneiderei nebst Haus gehörte. Selbst Susanne, die ihre Augen und Ohren normalerweise überall hatte, hatte keine Ahnung. Sie hatte sowieso andere Sorgen. Bisher war nicht die leiseste Nachricht, nicht die kleinste Zeile von Wolfgang Schieren in Frankfurt eingetroffen. Auch in der Zunft hatte man nichts von ihm
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