Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
sich nicht mit Kräutern und Pflanzen aus. Doch wenn sie jetzt über die Messe ging und an jedem Apothekerstand nach der Waidpflanze fragte, so wusste bald ganz Frankfurt, dass sich damit ein Geheimnis verband.
    Und auch die Kräuterweiber und Zauberschen, die am Rande der Stadt in ärmlichen Hütten hausten, konnten ihre Mäuler schwer halten. Ein Geldstück reichte aus, und jeder, der es wissen wollte, kannte Sibyllas Geheimnis.
    Es war nicht nur schön, eine gute und bekannte Werkstatt zu haben. Die Neider lauerten hinter jeder Straßenecke, begierig darauf, alles aufzusaugen, was sie hörten und sahen. Es war ein Wettlauf mit der Zeit. Noch immer war Sibylla die Vorreiterin in Sachen Frankfurter Mode. Doch je rascher die Konkurrenz hinter ihre neuesten Einfälle kam, umso schneller wurde sie kopiert – und das eben zu weitaus günstigeren Preisen. Solange Sibylla die Erste und Einzige war, die eine neue Mode auf den Markt brachte, so lange klimperte es in der Geldkassette. Doch schon ein einziger Nachahmer reichte aus, um ihr die Kunden abspenstig zu machen. Sie konnte also nicht in Frankfurt nach der Waidpflanze fragen, ohne damit Aufsehen zu erregen. Zumal sie wusste, dass die anderen Kürschner besonders zu Zeiten der Messe ihre Angestellten anhielten, aufzupassen, wo Sibylla sich aufhielt und mit wem sie sprach.
    Auch hatte sie keine Zeit, sich während der ganzen Messe nur um diese seltsame Pflanze zu kümmern. Sie musste Geschäfte machen. Auf dem Land dann würde sie die Bauern befragen, und es wäre doch gelacht, wenn es ihr nicht gelänge, zum Ziel zu kommen.
     
    Die Messe war wieder einmal sehr erfolgreich für Sibylla gewesen. Sie hatte genug Geld, um kostbare und seltene fremdländische Dinge einzukaufen, genug Geld auch, um auf den Fellauktionen nur für die beste Ware zu bieten. Ihre Auftragsbücher waren prall gefüllt, und sowohl die Gesellen in der Kürschnerei als auch Meister Schulte fragten sich bang, wie sie die vielen Aufträge erfüllen sollten.
    Hatte ein solcher Erfolg in den vergangenen Jahren noch dafür gesorgt, dass Sibylla strahlender Laune war, so hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt und wäre höchstens verärgert, liefe das Geschäft weniger prächtig.
    Sie begann damit, Vorbereitungen für ihren Aufenthalt auf dem Land zu treffen. Sie hatte es satt, mit einem prall gefüllten Kissen unter dem Bauch umherzulaufen, hatte es satt, sich beständig vorsehen zu müssen. Doch nicht allein das kommende Kind vertrieb Sibylla aus der Stadt. Auf der Messe hatte sie gehört, dass auch Isabell, Isaak Koppers Frau, guter Hoffnung war.
    Und den Anblick von Isabell Kopper, die Isaaks Kind trug, war mehr, als Sibylla ertragen konnte. Es gab wohl keinen Tag und keine Nacht, in der Sibylla nicht an Isaak dachte. Sie konnte ihn nicht vergessen. Ihn nicht und auch nicht die Stunden, die sie gemeinsam verbracht hatten. Die Stunden, in denen Sibylla gespürt hatte, was es hieß, eine richtige Frau, ein ganzes Weib zu sein. Sie sehnte sich nach ihm, mehr als nach allem anderen auf der Welt. Und gleichzeitig versuchte sie, diese Sehnsucht zu ersticken.
    Morgen früh würde sie aufs Land fahren, und wenn sie mit Maria von dort wiederkam, dann würde sie ein Kind haben. Wenigstens das.
     
    «Uuuuuuuuuuhhhhh! Aaaaaaaaaaaaah! So helft mir doch!»
    Maria lag in den Wehen. Seit Stunden war sie damit beschäftigt, ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Bauersfrau hatte heißes Wasser und Tücher gebracht, die Hebamme strich mit beiden Händen über Marias gewölbten Leib, durch den der Schmerz in Wellen fuhr und dafür sorgte, dass die junge Frau sich in regelmäßigen Abständen schreiend aufbäumte. Sibylla stand am Kopf des großen Gebärstuhles, der bei jeder Bewegung der Gebärenden leise knarrte, und kühlte mit einem Essiglappen Marias heiße Stirn.
    «Ruhig, ganz ruhig», sprach die Hebamme auf die junge Frau ein. «Gleich hast du es geschafft. Noch ein, zwei Wehen, dann kommt dein Kind. Ich kann das Köpfchen schon sehen.»
    «Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Sterben will ich», röchelte Maria und schloss, vor Erschöpfung ganz grau im Gesicht, die Augen. Dicke Tränen quollen zwischen ihren Lidern hervor, doch schon überrollte sie eine neue Welle des Schmerzes.
    Wieder bäumte sie sich auf und schrie, doch im selben Augenblick griff die Hebamme zwischen ihre weit gespreizten Schenkel und brachte mit geübten Handgriffen das Kind ans Licht der Welt.
    Sibylla nahm es entgegen und hüllte

Weitere Kostenlose Bücher